Freitag, 6. Juli 2012

Eintracht der Trachtenträger

In der Poiana Ruska wurde das größte Banater Folklorefest des Jahres gefeiert

Ein Bilderbericht von Walther Konschitzky

Das Tal am Oberlauf der Bega in der Poiana Ruska ist für eine große Freilichtveranstaltung wie geschaffen. Wie ein Riesenamphitheater öffnet sich die Lichtung an einer Begakrümmung, die waldigen Berghänge sind als Zuschauertribünen gut geeignet. Die Bewohner aus Tomeşti und Luncani hatten den Platz vorzüglich gewählt und zu nützen gewußt, als sie hier eine Bühne und ein Motel mit Schwimmbassin gebaut haben. In einer Rekordzeit von nur wenigen Monaten wurde das Vorhaben ausgeführt. Am ersten Augustsonntag konnte das Temescher Folklorefestival '74 im Liman-Tal steigen. Der große Platz erwies sich an diesem Tag aber doch als zu klein, denn daß sich hier über 10.000 Menschen einfinden werden, damit hatten selbst die Optimisten nicht gerechnet.
Teodor Chicinaş, der Bürgermeister von Tomeşti, und Dumitru Preda, der Vorsitzende des Temescher Kreiskomitees für Kultur und sozialistische Erziehung, begrüßten die Mitwirkenden und die Zuschauer und kündigten an, daß dieses Fest nun in jedem Jahr hier in der Poiana Ruska abgehalten werden soll.
Aus allen ethnographischen Zonen des Kreises Temesch trafen am Morgen die Trachtenträger und Kulturformationen aller Nationalitäten ein: aus den Dörfern der Marosch-Niederung, aus den Ortschaften zwischen Temesch und Bega, aus der Bergsau, aus der Lugoscher Gegend und aus den Bergdörfern am Fuß der Poiana Ruska. Über vier Stunden währte das Kulturprogramm, das sie zusammen bestritten, und das mit einer Liederfolge der vereinigten Chöre aus Großsanktnikolaus, Racoviţa und Nadrag unter der Leitung von Prof. Mathias Bernhardt eröffnet wurde. Von einem Hang kam die Trommler-Gruppe aus Brăneşti ins Tal, umjubelt vom Beifall der Tausenden für ihre selten schöne, rhythmische und mitreißende Darbietung auf einigen Dutzend Trommeln. Beifall und wieder Beifall gab es dann über vier Stunden lang für die vielen Tänze, die Lieder und Musikdarbietungen. Den größten Applaus jedoch ernteten die Flötenspieler aus Dubeşti, Fatschet und Remetea Luncă, der Dudelsackpfeifer Procofie Vasiescu, die schwäbische Volkstanzgruppe aus Pietroasa Mare, geleitet von Maria Dippert, die ungarischen Tänze aus Cruceni und Jimbolia, die serbische Tanzgruppe des Temesvarer Maschinenbauwerks UMT und das Folkloreensemble aus Brăneşti mit seiner Vorführung "Markt in Fatschet". In Lied, Spiel und Tanz wurde die Atmosphäre eines Markttages von einst auf die Bühne gebracht, es fehlte dabei auch der "Mann mit dem Tanzbären" nicht und die traditionellen Volksbelustigungen bei solchem Anlaß. Was aber im besonderen bewundert wurde, das war die Vielfalt der Trachtenstücke und Motive in der Festkleidung dieses Dorfes und an der Vorführung die nuancierte Darstellung der einzelnen Marktszenen. Zum Abschluss des Programms gaben die Blasmusikkapellen aus Lenauheim und Jahrmarkt Platzkonzerte.
Loris-Kapelle im Liman-Tal
In einem Waldweg hatten sich die Trachtenträger aller in diesem Landstrich lebenden Nationalitäten, darunter auch die Träger der schwäbischen Trachten aus Darowa, Jahrmarkt, Lenauheim, Liebling, Neupetsch, Nitzkydorf, Pişchia, Sanktandreas und Teremia Mare, zu einem der größten und beeindruckendsten Trachtenzüge, die es je im Banat gegeben hat, geformt. Unter den Rhythmen der Trommler aus Brăneşti und der Märsche der Loris-Kapelle aus Jahrmarkt zogen sie auf den Festplatz. Die Festkleidung aus über 50 Ortschaften wurde sodann vorgeführt und von einem Fachmann des Banater Museums erläutert, den schönsten sollten am Nachmittag Preise verliehen werden. Die Jury hatte es gewiß nicht leicht, aus der Vielzahl der wunderschönen Trachten die originellsten und wertvollsten herauszufinden.
Umso größer war der Beifall, als dann die Gewinner bekanntgegeben wurden, und es spricht dafür, daß die Zuschauer mit der getroffenen Wahl einverstanden waren. Preise wurden den rumänischen Trachten aus Buzad, Bucovăţ, Coştei, Sipet und Măştur zugesprochen, der schwäbischen Mädchentracht aus Nitzkydorf, dem Kerweihut mit Sträußchen, Bändern und Spiegel aus Neupetsch, der bulgarischen Brauttracht aus Dudeştii Vechi sowie der bulgarischen Mädchentracht mit Goldfadenstickereien aus Breştia.

Was man aber auf dem Festplatz noch zu hören bekam - und man hörte leise Bewunderung, aber auch unzweideutiges Mitgefühl heraus: Schade, daß den vielen Trägern von Schaffelleibchen und den Mädchen in den schweren schwäbischen Röcken keine Sonderpreise überreicht wurden, sie hätten sie nämlich für ihr Ausharren bei dieser Hitze redlich verdient.
Manchen Trachtenträger sah man kurz nach dem Aufmarsch in die Bega springen; hier im Liman-Tal ist sie noch ein kleiner Gebirgsbach, an diesem Tag jedoch ein geschätzter Badeplatz. Bis hinauf zur Forellenzüchterei bei Luncan konnte man die Gruppen sehen, die sich's am Begaufer bequem machten, als gelte es, wochenlang hier zu bleiben. Und man hielt aus; bis spät in die Nacht hinein hörte man Musik und Trubel im Tal, und mancher versprach sich's oder anderen, im nächsten Jahr in der Poiana Ruska wieder dabei zu sein. 




aus NEUER WEG KALENDER 1975, BUKAREST, 15. Oktober 1974


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen