Donnerstag, 30. August 2012

Matthias Loris und seine Bläser


Bei der Schau der besten Formationen des Kreises Temesch, die nach Abschluß der Gemeindephase in Erscheinung getreten sind, gab es für manche eine besondere Revelation: die Blasmusik von Jahrmarkt unter der Leitung des jungen Dirigenten Matthias Loris. Aus ihrem reichen Repertoire wurden eine Reihe von Stücken patriotischen Inhalts, darunter "Partidul, poporul, Ceauşescu" von G. Grigoriu, "Glorios partid" von Mircea Neagu und "Festmarsch" von Josef Klein sowie - außerhalb des Wettbewerbs, auf Wunsch des Publikums - Proben aus der einheimischen Folklore zu Gehör gebracht.
Die Visitenkarte der Jahrmarkter Bläser ist sehr alt und ehrwürdig. Bereits 1834 gab es hier eine Kapelle und schon 1908 stand einer aus der "Loris-Dynasie" am Dirigentenpult. Auf den ersten, Peter Loris, folgte Ignatz Loris, sodann Matthias Loris senior und schließlich Matthias junior, der jetzige Dirigent, der junger Absolvent des Konservatoriums GHEORGHE DIMA  von Cluj-Napoca ist.
 Das Leistungsregister der heutigen Bläser kann sich sehen lassen: 1970, beim ersten Landesfestival der Blasmusik in Alba Iulia, wurden die Jahrmarkter mit dem ersten Preis ausgezeichnet; 1974 wurde ihnen beim Wettbewerb der Theater-, Musik und Tanzformationen zu Ehren des dreißigsten Jahrestags der Befreiung die Goldmedaille zugesprochen.
Selbstverständlich beschränkt sich die Aktivität der Jahrmarkter Bläserkapelle nicht allein auf die Beteiligung an Wettbewerben wie auf deren Vorbereitung; der weitaus größere Teil des Musikmachens gilt dem Publikum, den vielen hiesigen Freunden der Blasmusik. Jährlich geben die Jahrmarkter in ihrem Heimatort wie in den Nachbargemeinden nicht weniger als 30 Konzerte, die sich eines guten Anklangs und eines nicht weniger guten Zulaufs erfreuen.
Für jene, die bei der letzten Etappe des Landesfestivals "Preis dir, Rumänien" dabei waren, konnte es keine Überraschung sein, daß die Bläser unter der Leitung des Jüngsten der Loris in der Kreisphase den ersten Platz errangen und dazu ausersehen wurden, an der Zwischenkreisphase Mitte Mai teilzunehmen. Wir können den Musikanten von Jahrmarkt nur guten Erfolg wünschen.
Ion Dumitraş


aus VOLK UND KULTUR, Bukarest, Mai 1977

Dienstag, 28. August 2012

An die Freude


Operation gelungen - Patient tot. Ein Staat wurde zu Grabe getragen (gefeiert) und das merkwürdigste Begräbnis der Menschengeschichte wurde zu einem der größten Medienspektakel der Neuzeit. Der Totenschmaus begann lange bevor  die Glocken den Untergang besiegelt und den Neuanfang eingeläutet hatten. Tränen waren nicht gefragt. Die waren schon Monate vorher vergossen worden, und auch sie waren damals kein Ausdruck der Trauer, sondern ein Opfer des Dankes "an die Freude".
Natürlich wäre es höchst unanständig, sich angesichts des Todes zu freuen. Das taten die Deutschen am 3. Oktober 1990 auch nicht. Ihre eher verhaltene Freude galt ausschließlich der dem Tode der DDR folgenden Vereinigung. Die Deutschen-Ost waren zu sehr mit ihren Alltagssorgen belastet und den Deutschen-West saß die Angst um die von Schwarzmachern an die Wand gemalten Opfergänge für die Einheit im Nacken, um uneingeschränkte Freudengefühle dominieren zu lassen.
Der goldene Mittelweg zwischen Trauer und Freude war ein festliches Gleiten in eine neue Zeit. Sekt, Bier, Musik und Feuerwerke gehörten nun mal zu diesem Totenschmaus-Geburtstagsfeier-Staatsakt.
Was den ersten "Tag der Deutschen Einheit" aber am nachhaltigsten geprägt hat, war die Atmosphäre in den mit Blumen geschmückten Festhallen und Konzertsälen Deutschlands. Man war sich der Einmaligkeit dieses geschichtlichen Ereignisses jederzeit bewußt. Das Gefühl, aus der Verdammung der Geschichte zu neuem Leben auferstanden zu sein, hat den vorangegangenen Tod eines menschenunwürdigen Staatengebildes zu Recht sehr schnell aus dem Gedächtnis der Menschen verdrängt, obzwar erst dieser Tod die Auferstehung ermöglicht hat.
Nie zuvor ist Ludwig van Beethovens Neunte Symphonie so oft auf deutschem Boden erklungen wie an diesem Tag. Und das mit Recht, denn nie zuvor ist ein Staat von der Landkarte verschwunden, ohne daß Menschen dabei ihre Heimat verloren haben. Beim Verschwinden der DDR haben viele Menschen in Ost und West ein neues Sicherheitsgefühl vermittelt bekommen. Erst jetzt sind die Folgen des Kalten Krieges aus der Welt geschafft und, damit dem Bangen um die angestammte Heimat jede Grundlage entzogen wird, mahnt man den verbindenden Charakter, den Grenzen auch haben können, an. Obzwar geänderte Grenzinterpretationen nicht über auch weiterhin existierende Unterschiede im Lebensstandard der Menschen in Europa hinwegtäuschen können, sind sie eine Gewährleistung dafür, daß Gegner von gestern Partner von morgen werden können.
Man denkt an solchen Tagen, die man als Meilensteine der Geschichte empfindet, an viele Dinge, die oft zu überraschenden Assoziationen führen. Da ist doch wieder dieses Bild der Großväter, die den Sonntagnachmittag beim Kartenspielen verbrachten. Da wurde doch nicht nur gespielt, sondern auch politisiert. Erinnern wir uns mal: "Un ich son eich, des kummt doch soweit." - "Do misse sich awwer es erscht die Russe un die Amerikoner verstehn." - "... Mer werre des nemmi erlewe."
Deutschland, einig Vaterland, war schon vor zwanzig und dreißig Jahren ein selbstverständlicher Gesprächsstoff an den Kartentischen der banat-schwäbischen Dörfer. Das ihnen eigene, als angeboren empfundene Zugehörigkeitsgefühl zum deutschen Volk ließ diese Männer regen Anteil am schmerzhaften Schicksal Deutschlands nehmen.
Die meisten von ihnen haben ein in Freiheit geeintes Deutschland nicht mehr erlebt. Die Gesinnung unserer im Banat ruhenden Väter und Großväter rechtfertigt aber den schnelleren Rhythmus unserer Herzschläge, den wir fühlten, als es am ersten Tag der Deutschen Einheit durch die Lüfte hallte: "Freude, schöner Götterfunken, / Tochter aus Elysium, / Wir betreten feuertrunken, / Himmlische, dein Heiligtum.  //  Deine Zauber binden wieder, / Was die Mode streng geteilt, / Alle Menschen werden Brüder, / Wo dein sanfter Flügel weint."
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20. Oktober 1990

Dienstag, 21. August 2012

Meisterliche Laienkunst

Beobachtungen bei der Zwischenkreisphase des Landesfestivals "Preis dir, Rumänien"  in Temeswar

(Fragment)
(Seite 9) ... ... ...
Der Kreis Temesch, der das größte (deshalb nicht unbedingt gehaltvollste) Programm aufzog, bot mit den Leistungen der Volksmusikensembles der Straßenbahnfabrik (Leitung Ion Odrobet) wie des Timişul-Ensembles (Leitung Laza Cnejevici) und des serbischen Volkskunstensembles (Leitung Tomislav Giurici) nicht zuletzt aber in den Auftritten der monumentalen Blaskapelle von Jahrmarkt (Leitung Matthias Loris) und der ausgezeichneten Militärkapelle "Straja" (Leitung Nicolae Popa) ihre Höhepunkte. Eine ethnographische Rarität der Temescher war der bulgarische Tanz von Dudeşti-Vechi (Leitung Viruzab Sebastian). Ein Festival für sich war der Thementanz der jungen Glasbläser von Tomeşti (Leitung Miloslav Tatarici). Unterstützt durch die Suggestion ihres leuchtenden und klingenden Glases führten sie die Schönheit ihrer Arbeit vor.
Der mangelnde Raum gestattet es nicht, auf alle Einzel- wie Ensembleleistungen einzugehen. Nicht unerwähnt sollen bleiben der farbige Eindruck wie der gute Schwung der schwäbischen Tanzgruppe von Pietroasa (Leitung Aloisia Rapp und Anna Malek), die kultivierte Darbietung des Unterhaltungsorchesters von Jahrmarkt (Leitung Matthias Loris), das harmonische Musizieren des Quintetts von Großsanktnikolaus (Leitung Jakob Hufnagel), der Gesang der Solistin Hedwig Klemens sowie die Darbietung der Rekascher Musikanten um Martin Lutz mit Siglinde Orner (Darowa) als Gesangssolistin.
... ... ...                                                                                                                                                      H.L.

aus VOLK UND KULTUR, Bukarest, Mai 1977


Freitag, 17. August 2012

Polen gefordert


Zu "Unter der Lupe" in "Der Donauschwabe" vom 19 August:
Der Würfel ist gefallen. Die deutsch-polnische Grenze ist endlich endgültig. Es gibt nach der Geburt dieses politischen Faktums (21. Juni 1990) weder neue Nutznießer noch neue Verlierer. Was bleibt, ist der Schmerz der Heimatvertriebenen der ersten Generation. Ihre Heimat ist als geographische Variante verschwunden und mit ihrem Gleiten ins Reich der Geschichte wird wohl der größte Widerspruch im Ringen um das Hoheitsrecht für Pommern und Schlesien aus dem Bewußtsein verdrängt; insofern er überhaupt als solcher wahrgenommen wurde.
In der Charta der deutschen Heimatvertriebenen heißt es beschwörend: "Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Im selben Dokument der Vergebung und Versöhnung heißt es aber auch unmißverständlich: "Den Menschen von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten. Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt. Daher fühlen wir uns berufen zu verlangen, daß das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird." Ein Recht auf Heimat beinhaltet natürlich auch Territoriumsansprüche, die sich wiederum als kaum überwindbare Barriere eines Versöhnungsprozesses entpuppen müssen.
Die Charta der Heimatvertriebenen wurde 40 Jahre alt. Mit jedem verstrichenen Jahr verlor der in ihr angedeutete, aber nicht klar formulierte Territoriumsanspruch ein Stückchen seiner Berechtigung. Man sucht heute mehr Versöhnung mit einer Generation Polen, für die das Land östlich von Oder und Neiße selbstverständliche Heimat, in der sie geboren wurden, ist, und weniger mit einstigen, in die Jahre gekommenen Gegnern, die nach dem Krieg in einem neuen (polnischen) Staatsgebiet eine eher fragwürdige Heimat fanden. Andererseits ist die zweite und dritte Generation der Vertriebenen wohl kaum en masse dazu bereit, ein neues Leben in der Heimat ihrer Väter und Großväter zu beginnen. Durch diese Entwicklung hat sich der Territoriumsanspruch relativiert und der Antagonismus Anspruch auf Heimat - Versöhnung mit den neuen Heimatbesitzern wird entschärft. Um diese Einsicht zu erlangen, mußten nicht nur die Vertriebenen einen langwierigen Umdenkprozess bewältigen. Alle Regierungen und fast alle Parteien der Bundesrepublik mußten sich dauernd, oft schmerzlichen, Gewissensprüfungen unterziehen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Verzichtserklärungen abgeben zu können.
Wie schwer es ist, Heimat, selbst zum Zweck des immer Vorrang genießenden Friedens, aufzugeben, klingt aus den Worten des Bundeskanzlers bei den Feierlichkeiten zum 40jährigen Jubiläum der Charta: "Die Vertreibung der Deutschen aus ihrer angestammten Heimat war ein großes Unrecht. Es gab dafür keine Rechtfertigung, weder moralisch noch rechtlich. Niemand kann von uns erwarten, daß wir Jahrzehnte danach erklären, die Vertreibung sei rechtmäßig  gewesen." Selbst Herbert Czaja, der Präsident des Bundes der Vertriebenen, ließ, trotz seines jahrzehntelangen politischen Engagements für die Wiedererlangung der verlorenen Heimat, moderate Töne erklingen, die Verständnis für die Politik Helmut Kohls signalisieren: "Sie (Kohl) treiben die staatliche Vereinigung von zwei Teilen Deutschlands kräftig vorwärts. Sie drängen zum Zueinanderrücken der Staaten in Europa und genießen großes Ansehen im Ausland. Auch wenn wir gegen ein ostdeutsches 'Sonderopfer' für Deutschland angehen, wäre es falsch, dies nicht dankbar anzuerkennen. Wir beharren jedoch, bei allem berechtigtem Drängen der Mitteldeutschen, auf sorgfältigem Verhandeln des gesamtdeutschen Souveräns über unsere ostdeutsche Zukunft. Wir achten dabei auch auf Ihre Zusagen, die ostdeutschen Individual- und Gruppenrechte bei den bevorstehenden Verhandlungen hart zu vertreten ..."
Daß hier Herbert Czaja das Schicksal der in Polen verbliebenen Deutschen im Auge hatte, ist klar zu erkennen. In diesem Problem ist eindeutig die polnische Regierung gefordert. Das Minderheitenrecht der Deutschen muß endlich im Alltag der Menschen erkennbar werden. Nur so kann die zukunftsorientierte Botschaft, die die Charta der Versöhnung und des Friedens verkündet, ins nächste Jahrtausend wirken.
Mark Jahr 

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 16. September 1990

Freitag, 10. August 2012

Fünfzehn erste Preise

Jahrmarkter Schüler des 
Musiklyzeums "Ion Vidu" 
im Jahre 1974
v.l.n.r.: Josef Wanyer, 
Josef Retter, 
Helmuth Kaszner, 
Josef Tritz, Helmar Linz
Fünfzehn erste Preise errangen die Kulturgruppen der VKJler des Kreises Temesch bei der Zwischenkreisphase des Wettbewerbs "Cîntarea României" in Hunedoara. An der Landesphase, die zur Zeit in Bukarest ausgetragen wird, beteiligen sich das Volksmusikorchester und das Tanzensemble "Izvorul" - mit einem schwäbischen, einem ungarischen und einem serbischen Volkstanz - sowie zwei Solisten aus dem Temeswarer Lyzeum Nr. 1, ferner die Theatergruppe des Loga-Lyzeums, das Kammerorchester und sieben Instrumentalsolisten vom Musiklyzeum "Ion Vidu". Zu den letzteren gehört auch der Jahrmarkter Helmuth Kaszner.


aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 13. April 1977

Mittwoch, 8. August 2012

Ernüchternde Zigeunerromantik


Wir leben im Zeitalter der Nachrichten. Mit Windeseile erreichen die Meldungen die entlegensten Gebiete unseres Kontinents. Die Kunde, daß Oskar, der Saarländer, Fremde über alles liebt und sie den heimatsuchenden Deutschen aus dem Osten vorzieht, ist bis in die entlegensten Täler der Karpaten und in den einsamsten Zigeunerwagen der Baragan-Steppe vorgedrungen. Und sie kommen in Scharen. Die Nomaden des 20. Jahrhunderts verlassen ihre angestammten Wanderreviere und erweisen den Saarländern ihre Reverenz. Zigeunersippen aus Rumänien überfluten das Asylparadies Saarland. Sie bringen ihre Exotik mit, und sie pflegen auch ein fremdartiges, romantisch anmutendes Sippenleben. Ihre Lebens- und Überlebensphilosophie ist zum Unterschied von unseren Auffassungen nicht auf Leistung und entsprechende Belohnung ausgerichtet. Nehmen, wo es etwas zu nehmen gibt, ist für viele Alltagsdevise.
Oskar Lafontaine wird wohl oder übel einsehen müssen, daß seine Antiaussiedler- und Proasylpolitik soziale Spannungen geradezu provoziert. Schade, daß das ZDF in seinem heute-journal-Bericht  vom 30.6.1990 zu diesem Thema keine Stellungnahme des saarländischen Landesvaters brachte. Die Landeskinder an der Saar scheinen allerdings keine allzu frohe Miene zum Realität gewordenen bösen Zigeunerspiel zu machen.
Die Menschen in Lebach (Saarland) haben jahrelang mit Verständnis deutsche Aussiedler aus Osteuropa aufgenommen und betreut. Jetzt ist das mit Zigeunern belegte Durchgangslager in ihrer Stadt zum absoluten Reizthema geworden. Sie haben sehr schnell, zum Unterschied von ihrem Landesoberhaupt, erkannt, welch krasser Unterschied zwischen ostdeutscher Lebensmentalität und osteuropäischer Zigeunermentalität besteht.
Ein Kaufhausdetektiv sprach vor laufender Kamera von seinen Erfahrungen mit den neuen Asylbewerbern: "Also, ich kann nur sagen, daß, wenn Zigeuner oder so ähnliche Leute, wenn die ins Geschäft kommen, daß die 90 Prozent Sachen einstecken. Die sind kaum fünf Minuten im Laden, dann hann se schon was unter'm Rock stecken."
Nikolaus Jung (CDU), Bürgermeister von Lebach, hat die Stimmung in der Bevölkerung in klaren unmißverständlichen Worten geäußert: "Ich muß die Verbitterung, die Enttäuschung, die Ängste der Lebacher Bevölkerung entgegennehmen. Ich gebe sie täglich an die Landesregierung in Saarbrücken weiter. Was die Regierung hier getan hat, nämlich ein Zigeunerlager eingerichtet zu haben, kann die Lebacher Bevölkerung nicht mehr länger ertragen, nicht mehr länger aushalten. Dazu sind die Mißstände viel zu groß, und wir hoffen dringend, daß die Regierung hier endlich Abhilfe schafft."
Was wird Herr Lafontaine zu diesen Äußerungen wohl sagen? Na klar, er wird sagen, daß der Lebacher CDU-Bürgermeister Wahlkampfparolen lanciert hat. Was aber weder der saarländische Ministerpräsident noch die saarländischen Bürger zu wissen scheinen, ist, daß die rumänische neokommunistische Regierung eine gezielte Antizigeunerpolitik betreibt, die die Auswanderungswelle der Zigeuner aus Rumänien eher ansteigen als abschwächen lassen wird. Freilich soll man diesen Leuten helfen. Sie werden in Rumänien seit Jahrzehnten als Minderheit ignoriert und als Menschen verschmäht. Sie sind bis heute nicht seßhaft geworden und zum Großteil Analphabeten. Nicht die Menschen im Saarland haben aber die moralische Pflicht, diese für die abendländische Kultur so fremdartigen Menschen einem zivilisierten Dasein zuzuführen. Für den rechtlosen Raum, in dem diese Zigeunersippen sich in Rumänien und jetzt in Europa bewegen, muß allein Bukarest verantwortlich gemacht werden. Der rumänischen Regierung muß in internationalem Einklang offiziell klargemacht werden, daß sie nicht nur Ceauşescus Machtposition  besetzt hat, sondern auch dessen Erbschaft anzutreten hat. Ein wesentlicher Teil dieser Erbschaft sind nun mal die Zigeuner. Die werden auch in Zukunft noch einigen Politikern Kopfzerbrechen bereiten, denn die Integration eines Nomadenmenschen in eine leistungsorientierte Kulturgesellschaft ist wahrlich keine leichte, aber angesichts der vorhandenen Tatsachen eine notwendige Konsequenz.
Fernsehjournalisten pflegen unbequem zu fragen: "Was nun, Herr Lafontaine?"
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20. August 1990

Montag, 6. August 2012