Mittwoch, 8. August 2012

Ernüchternde Zigeunerromantik


Wir leben im Zeitalter der Nachrichten. Mit Windeseile erreichen die Meldungen die entlegensten Gebiete unseres Kontinents. Die Kunde, daß Oskar, der Saarländer, Fremde über alles liebt und sie den heimatsuchenden Deutschen aus dem Osten vorzieht, ist bis in die entlegensten Täler der Karpaten und in den einsamsten Zigeunerwagen der Baragan-Steppe vorgedrungen. Und sie kommen in Scharen. Die Nomaden des 20. Jahrhunderts verlassen ihre angestammten Wanderreviere und erweisen den Saarländern ihre Reverenz. Zigeunersippen aus Rumänien überfluten das Asylparadies Saarland. Sie bringen ihre Exotik mit, und sie pflegen auch ein fremdartiges, romantisch anmutendes Sippenleben. Ihre Lebens- und Überlebensphilosophie ist zum Unterschied von unseren Auffassungen nicht auf Leistung und entsprechende Belohnung ausgerichtet. Nehmen, wo es etwas zu nehmen gibt, ist für viele Alltagsdevise.
Oskar Lafontaine wird wohl oder übel einsehen müssen, daß seine Antiaussiedler- und Proasylpolitik soziale Spannungen geradezu provoziert. Schade, daß das ZDF in seinem heute-journal-Bericht  vom 30.6.1990 zu diesem Thema keine Stellungnahme des saarländischen Landesvaters brachte. Die Landeskinder an der Saar scheinen allerdings keine allzu frohe Miene zum Realität gewordenen bösen Zigeunerspiel zu machen.
Die Menschen in Lebach (Saarland) haben jahrelang mit Verständnis deutsche Aussiedler aus Osteuropa aufgenommen und betreut. Jetzt ist das mit Zigeunern belegte Durchgangslager in ihrer Stadt zum absoluten Reizthema geworden. Sie haben sehr schnell, zum Unterschied von ihrem Landesoberhaupt, erkannt, welch krasser Unterschied zwischen ostdeutscher Lebensmentalität und osteuropäischer Zigeunermentalität besteht.
Ein Kaufhausdetektiv sprach vor laufender Kamera von seinen Erfahrungen mit den neuen Asylbewerbern: "Also, ich kann nur sagen, daß, wenn Zigeuner oder so ähnliche Leute, wenn die ins Geschäft kommen, daß die 90 Prozent Sachen einstecken. Die sind kaum fünf Minuten im Laden, dann hann se schon was unter'm Rock stecken."
Nikolaus Jung (CDU), Bürgermeister von Lebach, hat die Stimmung in der Bevölkerung in klaren unmißverständlichen Worten geäußert: "Ich muß die Verbitterung, die Enttäuschung, die Ängste der Lebacher Bevölkerung entgegennehmen. Ich gebe sie täglich an die Landesregierung in Saarbrücken weiter. Was die Regierung hier getan hat, nämlich ein Zigeunerlager eingerichtet zu haben, kann die Lebacher Bevölkerung nicht mehr länger ertragen, nicht mehr länger aushalten. Dazu sind die Mißstände viel zu groß, und wir hoffen dringend, daß die Regierung hier endlich Abhilfe schafft."
Was wird Herr Lafontaine zu diesen Äußerungen wohl sagen? Na klar, er wird sagen, daß der Lebacher CDU-Bürgermeister Wahlkampfparolen lanciert hat. Was aber weder der saarländische Ministerpräsident noch die saarländischen Bürger zu wissen scheinen, ist, daß die rumänische neokommunistische Regierung eine gezielte Antizigeunerpolitik betreibt, die die Auswanderungswelle der Zigeuner aus Rumänien eher ansteigen als abschwächen lassen wird. Freilich soll man diesen Leuten helfen. Sie werden in Rumänien seit Jahrzehnten als Minderheit ignoriert und als Menschen verschmäht. Sie sind bis heute nicht seßhaft geworden und zum Großteil Analphabeten. Nicht die Menschen im Saarland haben aber die moralische Pflicht, diese für die abendländische Kultur so fremdartigen Menschen einem zivilisierten Dasein zuzuführen. Für den rechtlosen Raum, in dem diese Zigeunersippen sich in Rumänien und jetzt in Europa bewegen, muß allein Bukarest verantwortlich gemacht werden. Der rumänischen Regierung muß in internationalem Einklang offiziell klargemacht werden, daß sie nicht nur Ceauşescus Machtposition  besetzt hat, sondern auch dessen Erbschaft anzutreten hat. Ein wesentlicher Teil dieser Erbschaft sind nun mal die Zigeuner. Die werden auch in Zukunft noch einigen Politikern Kopfzerbrechen bereiten, denn die Integration eines Nomadenmenschen in eine leistungsorientierte Kulturgesellschaft ist wahrlich keine leichte, aber angesichts der vorhandenen Tatsachen eine notwendige Konsequenz.
Fernsehjournalisten pflegen unbequem zu fragen: "Was nun, Herr Lafontaine?"
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20. August 1990

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