Mittwoch, 19. Dezember 2012

Das große Schwabenkonzert

Beste Berufs- und Laienkünstler vor 2500 Zuschauern in der Olympiahalle

Vor dichtbesetztem Saal lief am Sonntag Abend das großangelegte Unterhaltungsprogramm in der Olympia-Halle, das vom Temescher Kreisrat der deutschen Werktätigen in Zusammenarbeit mit dem Kreiskomitee für Kultur und sozialistische Erziehung innerhalb der II. Auflage des Landesfestivals "Cîntarea României" veranstaltet worden ist und vom Bukarester deutschen Fernsehen für eine nächste Sendung aufgezeichnet wurde. Um es vornweg zu sagen: die fast vierstündige Darbietung (Regie: Horst Strasser) war insgesamt eine beachtlich schöne Leistung und von der Beteiligung her ein Musterbeispiel im Temeswarer Kulturgeschehen. Denn es ist ja nicht alltäglich, dass sich mehrere Kulturinstitutionen - wie das Temeswarer Deutsche Staatstheater, der Schubert-Chor und die Jahrmarkter Musikkapelle - in einer Vorstellung vereinen und es ist nicht alltäglich, dafür aber höchst begrüßenswert, dass Berufs- und Laienkünstler zusammenwirken und ein harmonisch abgerundetes Ganzes bilden; vorzüglich erkennbar im ersten Teil, der durch Titelauswahl, Arrangements und Auftreten jeder Prüfung standgehalten hat.
Den I. Teil des Programms bestritten die Jahrmarkter Blaskapelle und der Schubertchor, deren Aufstellung in dem großzügigen Raum auch für das Auge gut zur Geltung kam. (Ausstattung: Ferenc Kovacs und Karl-Heinz Roth). Die erfreuliche Leistungsdichte dieser beiden Laiengruppen aber zeigte, dass diese auch unter Berufskünstlern herausragen. Die 52 Bläser um ihren Dirigenten Prof. Matthias Loris musizierten mit einer Dynamik und einer Präzision, die bestechend wirkte. Es ist ein Orchester, das sauber und nuanciert interpretiert, dessen Vortrag eine besondere Note hat. Gleichviel, ob es sich um Märsche, um Bearbeitung von Volksliedern, oder um Konzertstücke handelt. Dieser hervorragende Klangkörper, seine ausgezeichnete Leistung in der Besetzung bestätigten, wie verdient der Preis beim I. Festival "Cîntarea României" war. In flüssiger Spielweise wurden die guten Eigenbearbeitungen von Volksliedern wie "Fröhlicher Reigen", dann "Crai nou" von Ciprian Porumbescu und Lehars "Gold und Silber" vorgetragen.
Stimmlich auf der Höhe und mit einer sehr guten Liederauswahl präsentierte sich der Schubert-Chor unter Leitung von Dozent Matthias Schork. Der Auftritt verriet, dass dieses Ensemble vorwiegend an seiner Qualität arbeitet, gute Musik pflegt. Zu erkennen an dem Vortrag des ewig jungen und schönen "Heimatland, Banaterland" - hier auch hervorzuheben der von Julius Vollmer mit verhaltenem Pathos gesprochene Text -, ferner an der Darbietung von Schuberts "Die Nacht", dem schwäbischen Volkslied "Gretche, willscht du tanze gehn" sowie der böhmischen Volksweise "Schau, schau wie es regnet" - Solist der begabte Adrian Nucă.
Einfallsreich und dezent in der Begleitung der Gedichtvorträge, die in guter Abstimmung eingeblendet waren und die allgegenwärtige Heimatverbundenheit dieser Darbietung unterstrichen: Die Gedichte "Erde in deinem Chor" von Franz Liebhard, "Gerechtigkeit" und "Unser Heed" von Nikolaus Berwanger, "Träne der Zeit" von Anghel Dumbrăveanu und "Drei Vierzeiler über Temeswar" von Horst Samson wurden von den Schauspielern Julius Vollmer, Robert Jereb, Hans Kehrer und Adele Radin vorgetragen. Mit Gesangssoli wirkten mit Oskar Schilz und Monika Baialici, Humor brachte Peter Rainer mit einem schwäbischen Monolog aus seiner Tätigkeit als Fernsehreporter. Apropos Humor: Adele Radin und Hans Kehrer sorgten dafür ungezwungen und souverän. Als Ansager führten sie uns sicher und elegant durch das ganze Programm, streuten Pfeffer und Salz - hochdeutsch sowie schwäbisch - in die Vorstellung, wobei ihnen noch als besonderer Pluspunkt anzurechnen ist, dass sie frei sprachen. Sie haben auch als einzige die Gedichte nicht vom Blatt gelesen. Bravo und Dankeschön! Hans Kehrer hatte zudem den ganzen Saal minutenlang auf seiner Seite, und zwar zusammen mit der bezwingend charmanten Elisabeth Kölbl, in der humoristischen Mundart-Szenette  über "Theorie und Prax". Das Schlusslied des I. Teils "Du, du liegst mir im Herzen", vorgetragen vom Schubert-Chor und dem Loris-Orchester, bleibt sicherlich allen Zuhörern im Sinn. Herausragend hier die vier Chorsolisten Hannelore Ortinau, Ilse Langer, Horst Sausmann und Jakob Hügel.
Der II. Teil gehörte - so die Ansage - der Jugend, der Liebe und der Lebensfreude. Erstes Erkennungszeichen das junge Jahrmarkter Unterhaltungsmusikorchester, das das Publikum mit exaktem Musizieren vergnügte, saubere, gepflegte Tanzmusik interpretierte. Man fühlte dieselbe Dirigentenhand: Prof. Matthias Loris
Die Arrangements und das einfallsreiche Spiel waren vor allem bei der Begleitung der Sänger hervorragend. Die Sänger Hans Griffaton aus Großjetscha und Mathias Stefan aus Jahrmarkt fielen durch ihre schönen Stimmen auf. Monika Baialici bestach mit dem Schlager "Lass mich heute nicht allein", durch Stimme, Vortrag und Gestik. Eine Show eigenen Formats zog Bernd Bömches auf und brachte Mitwirkende wie Publikum in Hochstimmung. Gut gefiel das Volkslied "Ein Mann wollte fahren ins Heu", das er mit Inge Meyer vortrug, die ebenso wie Lore Grün zu den Gesangsolisten zählte. Der Humor-Clou dieses II. Teils war unbedingt der Josefstädter Franzi, alias Alexander Ternovits vom Temeswarer Nationaltheater mit seinem "Josefstädter Tango", der das einstige Temeswarer Vorstadtmilieu einmalig-unübertrefflich karikierte und damit selbstverständlich die Lacher auf seiner Seite hatte. Eine gute Fortsetzung bot die folgende Szenette, in der Ternovits mit Elisabeth Kölbl auftrat.
Der Ausklang dieses besinnlich-schönen Kulturabends mit dem Lied "Danke Freunde", gesungen von den Solisten unter Begleitung der Loris-Musik soll von den Interpreten, von allen Mitwirkenden als Echo, als Rückerwiderung seitens des Publikums gewertet werden, wenn das nicht schon der starke, anhaltende Beifall zum Ausdruck gebracht hatte. Schade nur, dass wegen der TV-Liveaufnahmen der Ton nicht im ganzen Saal gleich gut angekommen ist.
Maria Stein
Auf Seite 3 unser Bilderbericht "DAS GROSSE TV-KONZERT IN DER OLYMPIA-HALLE" (Anmerkung: Zwei der obigen Bilder stammen von dieser Seite)

aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 28. März 1978

Montag, 17. Dezember 2012

Paul Celan, der Dichter aus dem Osten


Das geschichtsträchtige Jahr 1990 hat uns kaum Zeit gelassen, Gedenktage entsprechend ihrer Bedeutung zu erleben oder Persönlichkeiten der Literatur und Kunst gebührend zu würdigen. So blieb auch weitgehend unbeachtet, daß in diesem Jahr der Dichter Paul Celan 70 Jahre alt geworden wäre, hätte er vor 20 Jahren nicht in der Seine den Freitod gefunden.
Am 23. November 1920 erblickte Paul Anczel in einer deutsch-jüdischen Familie in Czernowitz (Bukowina) das Licht der Welt. Als sensibler Jüngling erlebte er die Judenverfolgung in der Bukowina und später in Rumänien, nachdem er aus der seit 1940 zur Sowjetunion gehörenden Heimat geflüchtet war. Seine Eltern ereilte in einem Vernichtungslager der gewaltsame Tod. Im Dezember 1943 kehrte Anczel nach Czernowitz zurück, um sein bereits im November 1939 begonnenes und 1941 gezwungenermaßen (Ghetto) abgebrochenes Romanistikstudium fortzusetzen. Er nahm dann das Studium, allerdings erst im Herbst 1944, wieder auf. Schon ein Jahr später verließ Paul Anczel die Sowjetunion endgültig, um in Rumänien ein neues Zuhause zu suchen. Er fand in Bukarest eine Beschäftigung als Übersetzer und Verlagslektor.
Es wird vermutet, daß der junge Anczel schon im Jahre 1944 einige seiner ersten Verse Alfred Margul Sperber anvertraut hatte. Gewiß ist, daß seine ersten Gedichte in der nur einmal erschienenen Zeitschrift AGORA veröffentlicht wurden. Die Idee, seine erste Veröffentlichung mit dem Anagramm seines Namens zu versehen, kam von Jessika Sperber, der Frau Alfred Margul Sperbers. Fortan unterschrieb Paul Anczel nur noch mit Paul Celan.
1947 begab Paul Celan sich auf den Weg, den vor ihm schon Millionen Flüchtlinge und Vertriebene bewältigt hatten. Auf der Ladefläche eines von zwei russischen Offizieren gefahrenen Militärlastkraftwagens überwand er die rumänisch-ungarische Grenze und gelangte schließlich nach Wien. Hier erschien dann auch sein erster Gedichtband Der Sand aus den Urnen. Diesen Band ließ Celan später zurückziehen, weil er viele, zwar schwer erkennbare, aber im Endeffekt sinnverändernde Druckfehler enthielt. Dieser unerfreuliche Vorfall kann schon als Beispiel dienen, wie schwer sich Verleger und später auch Leser mit den Versen des Dichters aus dem Osten taten. 
Im Juli 1948 setzte der in Wiener Literaturkreisen eben bekannt gewordene Dichter seine Reise in Richtung Westen fort. In Paris fand er schließlich seine endgültige Heimat. Paul Celan studierte hier Germanistik und Sprachwissenschaft. Er lebte mit seiner Frau, der Graphikerin Gisele Celan-Lestrange, in recht bescheidenen Verhältnissen. Den Lebensunterhalt verdiente er sich als Übersetzer und Lektor für deutsche Literatur an der Ecole Normale Supérior und natürlich als freier Schriftsteller. Dem ersten Gedichtband folgten nämlich weitere sieben Bände, die zwar in Frankreich entstanden, aber alle in deutscher Sprache geschrieben wurden und mit einer einzigen Ausnahme auch in Deutschland erschienen sind. Der Dichter selbst mied Deutschland.
Die Sprache seiner Kindheit blieb aber die Sprache seines Lebens und in ihr schrieb er seine Gedichte in einer Zeit, als man sich in Deutschland darüber stritt, ob man nach Auschwitz überhaupt noch Gedichte schreiben könne. Er schrieb in der Sprache, die er durchaus auch hätte verachten können, die er aber anscheinend als einzige brauchbare Ausdrucksmöglichkeit seiner Gefühle empfand. Und diese Gefühle waren dunkel, voller Mystik, schrecklicher Träume und Vorahnungen. Dementsprechend klingen auch die Gedichte Celans. Die Sprache ist karg, mit Metaphern durchsetzt. Symbole beherrschen die Verse. Der Leser hat es schwer, besonders wenn er nach dem schönen Gedicht sucht. Wie sollte das auch entstehen, bedenkt man, daß der Dichter die Ungeheuerlichkeiten der Ghettos und Konzentrationslager er- und überlebt hat. Alles, was ihm aus jener Zeit geblieben war, war die Sprache. Er bediente sich ihr nie zum Geißeln, aber oft zum Mahnen und Suggerieren: "Hörst du: ich rede zu dir, wenn schwül sie das Sterben vermehren. / Schweigsam entwerf ich mir Tod, leise begegn ich den Speeren."
DPaul Celan ein dichtender Wanderer zwischen den Kulturwelten war, zeigen seine hervorragenden Übersetzungen und Nachdichtungen aus dem Russischen, Französischen, Englischen und Amerikanischen, Italienischen, Rumänischen, Portugiesischen, Hebräischen. Er empfand die Dichtung als etwas universal Verständliches, ähnlich wie die Musik. Man kann sie überall in der Welt, ganz gleich in welcher Sprache sie geschrieben ist, aufnehmen und in ihr Parallelen zum eigenen Sein suchen und auch finden. In seiner Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises (22. Oktober 1960) verkündete der preisgekrönte Dichter: "Geht man also, wenn man an Gedichte denkt, geht man mit Gedichten solche Wege? Sind diese Wege nur Um-Wege, Umwege von dir zu dir? Aber es sind ja zugleich auch, unter wie vielen anderen Wegen, Wege, auf denen die Sprache stimmhaft wird, es sind Begegnungen, Wege einer Stimme zu einem wahrnehmenden Du, kreatürliche Wege, Daseinsentwürfe vielleicht, ein Sichvorausschicken zu sich selbst, auf der Suche nach sich selbst... Eine Art Heimkehr."
Paul Celan bekam außer dem Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung auch den Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen (1958), den Literaturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1964) und bereits 1957 die Ehrengabe des Kulturpreises im Bundesverband der Deutschen Industrie. Nicht zuletzt auch dadurch hat er sich einen ewigen Platz in der Galerie der deutschen Dichter erworben. Der Dichter aus der östlichsten deutschen Kulturenklave wurde von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG als "der bedeutendste Lyriker der deutschen Nachkriegsliteratur" geehrt.
Als ein Mensch, der kreuz und quer durch die Sprachen und aus den Sprachen Europas lebte und dichtete (übersetzte), ist Paul Celan in die Literaturgeschichte eingegangen. Sein Werk erweist sich in unserer Zeit des Umbruchs und des Näherrückens mehr denn je als zeit- und grenzenlos.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 20. Januar 1991

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Johrmarker Sprich un Sprichelcher - 28

Es Kälbche sauft immer an dr Kuh, net die Kuh am Kälbche.
☻     ۩     ☺
Gsammelt vum Frombach Franz alias Gerwer Franz  (1929 - 1999)

Freitag, 7. Dezember 2012

Stilli Betrachtung


Na also, des großi Ereignis mit den Konzert is varüber. Natürlich sein alli grennt, wal e jeda woass, was a vun der Loriskapelln zu tawoartn hat. Aso so a Konzert is aamal fias Ohr un fias Herz. Und wal aams Herz dabei so leicht wert und nebnbei noch Zeit is, fie stilli Betrachtungen anstelln, so juckt den Reschitzara der Hafer.
Jetz geht der Vorhang auf, aba dee berimtn Bretter ghöratn aa schun aamol griebn, da schamt ma sich hinschaun. Dee Inschtrumentn glanzn. Aso des is die vielbekannti Loriskapelln? Ma sagt, es wäretn so ihnari sechzig Mann, so a fünfunvierzig sein nuir da, na ja, is ja Samstag, wahrscheinlich spieln die andaran woanders! Die Ansagerin meent, dass die Loriskapelln seit vier Generationen besteht. Möglich! Es sein älderi, jüngeri Leit, mit längeri un kürzeri Haar, aaner is sogar grau, des is sicher e Überbleibsel vun die anderen Generationen. Da kumman zwaa zu den Neinplärrer, was ma Mikrofon dazu sagt, und singen. Dabei sigt ma, dass deni ihnari Uniformleibl ausgwachsn warn, wal ma sigts Hemat naus. Mei Alda meent, so verkühlt ma sich die Niern. Bei die Zuschauer kann ma aa viel zuschaun. Am Balkon sein a paar klaani Nockerln rumgloffn. Wenn sie nit a fremdi Frau am Hosnzipfl zruckzogn hätt, wäratsn ieba die Balustrade ghupft.
Nach der Pause habn alli angfangt zu hustn. A paar Staubwolkn habn in Saal verneblt. Vor a zehn Jahr oder noch mehr, is der Saal mit Motorin aufgwaschn worn. Aber des war sicher schlechti Qualität, wal ma merkt nix mehr davon. Flöh sein aso ka Wunder. Und gewundert hats mi aa nit mehr, wie die Leit mit viel Räsoniern über die finsteren Stiegn vum Balkon runderkummen und bis zum Ausgang gstolpert sein.
Die Kolletneni    



aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 23. März 1978

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Rumäniendeutscher "Verhandlungsschwerpunkt"


Es war selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, wann eine rumänische Delegation mit ihren Hilferufen in Bonn aufkreuzen würde. Man durfte gespannt sein, wer diese hochrangige Regierungsdelegation leiten werde. Nun weiß man es, und man muß den Rumänen zugestehen, daß sie den richtigen Mann (entsprechend dem zur Zeit in Bukarest verfügbaren Politikeraufgebot) geschickt haben. Rumäniens Präsident Ion Iliescu ist mit seiner Vergangenheit zu sehr belastet. Der Westen hat nicht vergessen, daß er einst als Ceauşescus Nachfolger  gehandelt wurde und unter dem Diktator schon hohe Parteiämter begleitete. Die Juni-Ereignisse in Bukarest haben dem Image des Präsidenten  einen neuen Makel verpaßt.
Petre Roman, der rumänische Ministerpräsident, scheint auf der internationalen Politbühne eine bessere Figur als sein Präsident abzugeben. Besonders für den Bittstellergang nach Bonn schien er sich schon darum gut zu eignen, weil er es seit seinem Erscheinen in der rumänischen Führungsspitze stets verstanden hat, seine angeblichen Demokratisierungsbestrebungen effektvoll in Szene zu setzen. Die immer wieder auftauchenden Gerüchte über Meinungsverschiedenheiten zwischen den zwei starken Männern Rumäniens sind ein beredtes Beispiel dafür. Für Romans Bonnreise spricht auch sein Alter (oder seine Jugend), kann man ihm doch nicht mehr vorhalten, einer Generation anzugehören, die die Deportation der Deutschen aus Rumänien geduldet oder teilweise sogar begrüßt hat.
Daß eben diese Rumäniendeutschen wieder für eine politische Szenerie als Statisten herhalten sollen, war bei diesem Besuch zu erwarten. Schon immer, wenn es um die deutsch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen (sprich Wirtschaftshilfe in Richtung Osten) ging, wurde die deutsche Volksgruppe von den rumänischen Kommunisten als Erpressungsmittel mißbraucht. Auch diesmal spielten sie eine gewichtige Rolle in den Verhandlungen. Um der deutschen Regierung die rumänischen Anliegen schmackhaft zu machen, erklärte Roman, daß man sich in Bukarest die Rückkehr der ausgesiedelten Deutschen wünsche. Rumänien sei "offen dafür, einen Vertrag über die deutsche Minderheit auszuarbeiten und zu verwirklichen ".
Nun scheint man in Bonn aber vorsichtshalber nicht zu übersehen, daß Roman, trotz seines politisch geschickten Taktierens, doch noch den Ruf des geläuterten Neokommunisten im Gepäck mitführt. Man tut gewiß gut daran, Vorsicht walten zu lassen und erst mal eine deutsche Expertengruppe nach Rumänien zu schicken, um das Terrain zu sondieren. Einen Vertrag über die deutsche Minderheit sollte man keinesfalls überbewerten. Er wäre natürlich auch heute noch sinnvoll. Doch sollte man nicht übersehen, daß die noch gebliebenen Deutschen kaum in der Lage sind, ein geschlossenes Gemeinschaftsleben aufrechtzuerhalten.
Der damalige Bundesaußenminister Willy Brandt sagte am 30. Januar 1967 anläßlich seiner Tischrede zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien in Anwesenheit des rumänischen Außenministers Corneliu Mănescu: "Einst wirkten deutsche Handwerker am Aufbau einer eigenständigen rumänischen Wirtschaft mit. Damals sagten die Rumänen, die zum Handwerker gingen: <Ich gehe zum Deutschen>". Zwischen damals und heute liegt ein gescheitertes Gesellschaftssystem mit seinen verheerenden Folgen. Zu diesen Folgen gehört auch das unwiderrufliche Ende der deutschen Volksgruppe auf rumänischem Staatsgebiet.
Dieser Tatsache sollten deutsche Unterhändler und auch hochrangige Politiker bei ihren Verhandlungen mit rumänischen Kollegen immer Rechnung tragen.
Mark Jahr
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 13. Januar 1991