aus NEUE
BANATER ZEITUNG, Temeswar, 5. September 1978
Herzlich willkommen! Auf diesem Archiv-Blog finden Sie auch Veröffentlichungen von Anton Potche (Pseud.: Berns Toni, Anton Delagiarmata, Mark Jahr) in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Diese Texte sind im Label "- - - Chronologisches Inhaltsverzeichnis" vermerkt. Zu den anderen Texten finden Sie Hinweise im Label "In eigener Sache".
Mittwoch, 26. Juni 2013
Josefsdorf
Mit dem
Aufstellen des Kerweibaums und der Einladung der Dorfpersönlichkeiten begann das
diesjährige Kerweifest, an dem 14 Trachtenpaare unter den Klängen der
Jahrmarkter Kaszner-Kapelle
aufmarschierten. Erster Geldherr war Walter Freiheit mit Hermine
Schmidts, Kerweivater war Nikolaus Freiheit. Den Rosmarinstrauß
ersteigerte Hans Klein für Annemarie Helfenbein. Den Hut gewann
Hans Bertmann aus Fratelia B, während das Tuch an die Josefsdorferin
Margarete Kirch ging. Um das Gelingen des Festes bemühten sich u. a.
Kulturheimdirektor Ludwig Prinz, Lehrer Peter Gunesch und der
Kulturheimdirektor aus dem Gemeindezentrum Topolovăţu Mare Valeriu Moroşan,
erfuhren wir von Hans Klein, Professor in Rente. Zum ersten Mal nach
vielen Jahren wurde gestern wieder ein Schafbock ausgekegelt.
Montag, 24. Juni 2013
Die Original Donauschwaben
Teilnehmer
beim 1. Bundestreffen der Banater Blasmusikanten
"Rosen der Liebe" ist ein Walzerlied (Text: Robert Rohr), das man
gelegentlich auch heute noch über den einen oder den anderen Rundfunksender zu
Gehör bekommt. Es vermittelt die Universalität der Heimatliebe als
lebensnotwendiges Gefühl der Menschen überhaupt und jener, die ihre Heimat
verloren oder aufgegeben haben, insbesondere.
Die
Original Donauschwaben haben unter anderem auch mit diesem
"Blechmusikschlager" grenzüberschreitende Anerkennung gefunden. Die
Grenzen zwischen Blas- und Volksmusik sind fließend. Beide Musikgenres haben
sich gegenseitig befruchtet und was daraus - auch ermöglicht durch die
Evolution der neuen Musikmedien - entstand, ist die heute so beliebte
volkstümliche Blasmusik. Eben diesem Stil haben die Original
Donauschwaben sich bereits seit ihrer Gründung im Jahre 1964
verschrieben.
Original Donauschwaben Ltg.: Kornel Mayer (rechts) |
Ihr erster Kapellmeister war Kornel
Mayer, unter dessen Stabführung die Original
Donauschwaben bereits zu den beliebtesten Blaskapellen
aufrückten.
Sein Nachfolger war der auch
heute noch als Komponist und Arrangeur wirkende Josef Schmalz.
Seit
dem 5. November 1983 leitet Jakob Konschitzky die Original
Donauschwaben. Erst 14jährig, begleitete der gebürtige Bakowaer
bereits die Hilfskantorstelle in seiner Heimatgemeinde. Das Erlernen der
Blasinstrumente Flügelhorn und Tenorhorn vollzog sich als logische Konsequenz
der dorfüblichen Blechmusiktradition. Der Weg zur musikalischen
Professionalität führte bei Konschitzky über die Tätigkeit des
Bühnentechnikers an der Temeswarer Oper. Dort fand er die nötigen Anregungen,
seinen Technikerberuf an den Nagel zu hängen und die dreijährige
Musikfakultät zu besuchen. Als Musiklehrer arbeitete er dann an der Volksschule
in Perjamosch. Nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland (1969)
nahm Jakob Konschitzky erneut ein Studium der Musikpädagogik am
Münchner Richard-Strauß-Konservatorium auf. Seit 1970 arbeitet er nun an der
Städtischen Sing- und Musikschule München. Den Original Donauschwaben
trat er bereits 1978 als Bläser bei.
Diese
Blaskapelle pflegt nun seit 27 Jahren volkstümliche Blasmusik. Die oft vom Text
her besinnlichen, erinnerungsträchtigen Tanzmelodien, Walzer, Polkas und
Ländler, aber auch traditionelle und neue Märsche bilden heute noch das
reichhaltige Repertoire der Original Donauschwaben. Diese Kapelle
wird mit Sicherheit auch weiterhin ihr musikalisches Können in den Dienst der Gemeinschaft
stellen, um den festlichen Rahmen vieler landsmannschaftlichter Veranstaltungen
zu gestalten.
Die
Kontaktadresse der Original Donauschwaben: Jakob Konschitzky,
Kilihofstr. 25, 8000 München 82.
Anton
Potche
aus BANATER POST, München,
5. September 1991
Mittwoch, 19. Juni 2013
E scheene Gruß
Dem Alter die Ehr'
De Loris hot uns iwerhol, des war schun 1908, un wie der uns iwerhol hot, no is des jo schun anerscht gang, no war aa Schluss mi'm Rastätter, vun no an war Loris, Loris Peder - war e gude Musikant! Un sei Bruder aa, net wohr? Un ich war jo'm Loris sei rechtsi Hand, wann er net do war. Ich war Primasch! Ich war Violinist un Klarinettist. Gspielt hun mer im Wertshaus, mol beim Seiwert, mol beim Pannert - heit do, morje dort, wie des schun gang is, aa beim Kolling drowe. Ja, un do wu jetz es Kulturheim is, do hun mer viel gspielt, wu se jetz aa noch Spiele de Loris un de Kaszner. Och, do hun mer viel gspielt! Un gudi Musik gemach! Alles hun mer gspielt, un do war jo no späder noch e Musik im Dorf, de Kräider!
Aso Musik hun ich aa beim Militär gemach. Ich hun bei de Aanunsechzicher gedient, Temesvarer Regiment! Do war ich une in Bosnien, un dort hun ich aa Musik gemach. Dort war unser Batallion, dorte une in Dalmatien. War aa im Schitzegrawe in Italien, un no hun uns die Italiener dort mol ghapscht, no war ich in Gfangenschaft in Italien, zwaa Johr. Ja, die Italiener hun uns selmols gschnappt. Im Neinzehner sin ich erst hoomkumm. Jo, awer aa dort in dr Gfangenschaft hun ich Musik gemach, jo, aa dort Musik gemach - for die Musik leb un sterw ich!
Vetter
Ignaz Rosar aus Jahrmarkt erzählt
.
Wer hat Eich gsaat, dass Dr doher kumme
selt? Jo, jo, des is wohr, jetz sin ich de ältst Musikant in Johrmark,
un aa schun vun de ältste Leit im Dorf dohie; noch vier Männer sin vor
mer. Siebnunachtzich Johr wer ich im Dezember, ich hun schun viel
gearwet, un ich hun gere gearwet! Gere gearwet un gere bei dr Musik!
Wie ich oongfang hun bei dr Musik? Dohie war e
gewisser Kasznel in dr Alt-Gass, der
war unser Kapellmaaster, der hot uns gelernt, un bei dem war ich, bis
ich aus dr Schul geblieb sin. Un nodem hot uns de
Rastätter iwerhol, no war der unser Kapellmaaster un hot
uns gfiehrt. Un no späder erst, viel späder sei mer zum
Loris. Mi'm
Rastätter sei mer spiele gang, awer semols sei mr noch net
in anre Derfer gfahr, hu mer nor do in Johrmark gspielt im Wertshaus. Un
do war selmols noch e Musikbanda, die
Feierwehrmusik, jo, die war aa noch do, die hot e anre
gfiehrt, die hot e gewissene Jauch
gfiehrt.De Loris hot uns iwerhol, des war schun 1908, un wie der uns iwerhol hot, no is des jo schun anerscht gang, no war aa Schluss mi'm Rastätter, vun no an war Loris, Loris Peder - war e gude Musikant! Un sei Bruder aa, net wohr? Un ich war jo'm Loris sei rechtsi Hand, wann er net do war. Ich war Primasch! Ich war Violinist un Klarinettist. Gspielt hun mer im Wertshaus, mol beim Seiwert, mol beim Pannert - heit do, morje dort, wie des schun gang is, aa beim Kolling drowe. Ja, un do wu jetz es Kulturheim is, do hun mer viel gspielt, wu se jetz aa noch Spiele de Loris un de Kaszner. Och, do hun mer viel gspielt! Un gudi Musik gemach! Alles hun mer gspielt, un do war jo no späder noch e Musik im Dorf, de Kräider!
Aso Musik hun ich aa beim Militär gemach. Ich hun bei de Aanunsechzicher gedient, Temesvarer Regiment! Do war ich une in Bosnien, un dort hun ich aa Musik gemach. Dort war unser Batallion, dorte une in Dalmatien. War aa im Schitzegrawe in Italien, un no hun uns die Italiener dort mol ghapscht, no war ich in Gfangenschaft in Italien, zwaa Johr. Ja, die Italiener hun uns selmols gschnappt. Im Neinzehner sin ich erst hoomkumm. Jo, awer aa dort in dr Gfangenschaft hun ich Musik gemach, jo, aa dort Musik gemach - for die Musik leb un sterw ich!
Wie lang ich lewe mecht? Bis ich
sterwe, naja. Jetz wer ich 87, ich hun jo meins gemach. Wann se rufe, no geh mer.
Es tut mer jo laad, awer wann's haaßt "Hai kumm mit!", no geh mer.
Jo, ich hun meins gemach, ich hun viel
gearwet, ich war Maurer, im 63er sin ich in Pension gang, hun awer noch paar
Johr lang weider gearwet. Jetz gehn ich im Hof hin un her, no gehn ich mol uf
die Gass, schau mol naus, no gehn ich in de Garte, no ärjer ich mol e bissje mei
Tochter ... Na no gehn ich schaue, ob die Zeidung noch net kummt, ob net's
Tirche geht. Na no les ich die Zeidung, mir hun de "Neie Wech", no les ich
alles, alles, alles, e jedes Sticklche, was drin is. Mit dem tu ich mer die Zeit
vertreiwe, ich hun immer die Zeidung ghat, schun vun friehjer her immer - die
"Extrapost". Ich hun jo viel geles im Lewe!
Mir ware unser drei Gschwister im
Haus, jo, drei, noch e Zwillingsbruder un noch e Schwester. Ihr seid aa e
Zwillingskind? E Schwester hätt'r? Na no kenne mer uns jo stolziere! Do in dem
Haus sin ich gebor, in dem Haus. Des war jo anerscht, mir hun jo schun bal alles
rumgeworf, des war jo friehjer so e gewehnliches Haus, etwas besser wie e Koliba.
Vun Kotstoon un Dreck is es. Des is die Zigeinergass do, un do ware meistns so
kloone Häiser, do ware nor Kloonhäisler gewohnt in dr Zigeinergass, lauder
Professioniste. Was e Peerd hun ghat, ware vlleicht in ganzem vier, finef, was e
Peerd hadde, e Oonspänner. Ich nix, niemols e Peerd ghat, nix, niemols ghat! Mei
Peerd war Temesvar!
Wie ich in die Lehr gang sin, vun
Oonfang on sei mer zu Fuß gang uf Temesvar zum Maaster. No, wie ich mich mol e
bissje gspeert hun, no hun ich mer e Bizikl kaaft, un wie mer mol's Bizikl hadde,
sei mer nemmi zu Fuß gang - no sei mer gfahr! Jede Tach zwelf Kilometer bis in
die Stadt. Ich hun vier, finef Johr noch beim Maaster gearwet, un noher aa
meistns in Temesvar, un aa in Ferdinandsberg, dort hun mer Martinseefn gebaut.
Alle Tach uf dr Arwet. Un des war's Schwerste in meim Lewe: Alle Mondach morjets
uf un in die Stadt, des war's Schwerste. No Dienstach is es jo schun besser
gang, na un no samstachs is schun gschaut wor, dass beizeide nogeloss werd, un
dje! Drhoom glei ins Wertshaus mit'r Gei un mi'm Inschtrument - Klanett, na ja
freilich. Unser Kapellmaaster hot uns gedrillt - geh mer! Zwaamol war Prob,
mittwuchs un samstachs. Na un no, wann no Tanz war, no war's scheen, hun mer
gspielt, un meiner Fraa hot des aa gut gfall, sie is aa ins Wertshaus mit, un
des war aa vum Schenste, iwerhaupt wie mer jung verheirat ware.
Selmols hun mer aa unser Haus dohie in
Ordnung gebrung. Selmols war's Dorf un iwerhaupt die Zigeinergass jo noch weit
zrick! Awer die Leit hun oongfang immer e bissje was mache, noch e bissje, geh
mer, mach mer was, dje! Un so hun se halt e bissje verschenert die Häiser. Na un
mir do aa, wann ich hoom sin kumm vun dr Arwet, na mach mer was, geh mer, mach
mer e bissje was, un so is es halt immer weider un immer besser gang. Un so hun
mir Professioniste uns aa ganz gut dorchgschlaa. Awer gearwet - viel!
Na ja, freilich, un Musik gemach. Heit
owed is jo des Jubiläum, un ich sin de ältst Musikant, de letzte, was
noch vun dr Grindung is, vum Loris Peder.
Ich tät jo vun Herze gere gehn, awer ich kann net, ich heer jo net gut.
Geht Ihr hin? Aso e scheene Gruß an die ganzi Banda, saat nor, de Vedder
Naz hot gsaat: E scheene Gruß! Ich hun jo meins gemach, ich war gere bei
dr Musik, ja!
(Aufgezeichnet von Walther Konschitzky)
.
(Aufgezeichnet von Walther Konschitzky)
.
aus NEUER WEG,
Bukarest, 19. August 1978
Montag, 17. Juni 2013
Ostdeutsche Gedenktage 1991
Wertvolle
Erinnerungen an den deutschen Osten
Die
Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen bringt seit 1982 die
"Ostdeutschen Gedenktage" heraus. Im Vorwort zu der Ausgabe 1991
heißt es: "Die Ostdeutschen Gedenktage 1991 vereinen in ihrem ersten Teil
63 Lebensbilder von Persönlichkeiten, die durch Herkunft oder Wirken dem
deutschsprachigen Osten verbunden gewesen sind. Die Lebensbilder sind
wissenschaftlich fundiert, richten sich aber an das breite Publikum... Die
Beiträge sind ganz unterschiedlich konzipiert, mal in der freien Form des
Essays, mal strenger lexikographisch, wie es dem jeweiligen Bearbeiter
angemessen erschien."
Das
klingt vielversprechend und der geschichtsbewußte Leser blättert erst
mal hastig, nach dem ihm vertrauten Kulturkreis suchend. Dabei eröffnet
sich ihm ein schier unendlicher Horizont an ostdeutscher Siedlungs-,
Kultur- und Literaturgeschichte. Biographien von Rittern, einem Kaiser,
Generälen und Marschällen, Politikern, Wissenschaftlern, Schriftstellern
und Dichtern, Historikern, Architekten, Malern und Musikern gewähren
Einblick in geschichtliche und kulturelle Ereignisse aus sechs
Jahrhunderten. Dem suchenden Banater Schwaben werden einige Namen vertraut
sein, und wenn er es nicht als zu schwärmerisch empfindet, das in der
Geschichte immer relevante "Was wäre, wenn..." in seine
Gedanken einfließen zu lassen, wird er mit Faszination bei der einen oder
anderen Persönlichkeit verweilen; so zum Beispiel bei den Männern, die
mit ihrem strategischen Denken und Lenken die Schlacht bei Königgrätz
(1866) wesentlich beeinflußt haben. Was wäre, wenn die Österreicher als
Sieger das Schlachtfeld verlassen hätten? Wir Banater Schwaben wären
damals wohl nicht endgültig von unserem Mutterland durch einen der vielen
Friedensversträge, die in jenen von Bruderkämpfen überschatteten Zeiten
abgeschlossen wurden - durch den Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen
Bunde - getrennt worden. Was wäre, wenn...?
Der
Beitrag von Dr. Horst Fassel vom Institut für Donauschwäbische
Geschichte und Landeskunde in Tübingen zum 100. Geburtstag des in Karansebesch
geborenen Kulturhistorikers und Schriftstellers Rene Fülöp-Miller
vermittelt auch ein wenig multinationale Kulturatmosphäre aus dem Südosten
Europas während der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Rene Fülöp-Miller
schrieb seine Werke in deutscher, ungarischer, rumänischer und englischer
Sprache.
Hans
Damas Beitrag über den in Stuhlweißenburg (Ungarn) geborenen Architekten Nikolaus
Ybl, Monika Radeckis biographische Aufzeichnungen über den
Kronstädter Schriftsteller, Publizisten, Herausgeber und Mäzen Erik-Ernst
Schwabach (Pseudonym: Ernst Sylvester) sowie der von Ernst Wagner
verfaßte Lebenslauf des 1911 in Kronstadt geborenen und zur Zeit in München
lebenden Buchhändlers und Verlegers Hans Meschendörfer spannen den
Informationsbogen vom Pannonischen Raum bis jenseits der Karpaten. "850
Jahre seit der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen" hat Michael Kroner
seinen Aufsatz betitelt. Zwei weitere Arbeiten von Konrad Gündisch
befassen sich mit dem "Leopoldinischen Diplom für Siebenbürgen" und
mit der St--Ladislaus-Probstei in Herrmannstadt.
So
kann man am Ende feststellen, daß südosteuropäische Persönlichkeiten und
Ereignisse ihre verdiente Würdigung in der Reihe der "Ostdeutschen
Gedenktage 1991" erfahren haben. Daß man in dem Buch Namen wie Claudius
Florimund Graf Mercy (325. Geburtstag), Franz Josef I. (75.
Geburtstag), stellvertretend für weitere erwähnenswertre Persönlichkeiten,
vermißt, wird eher an dem Mangel an Mitarbeitern als an den Redakteuren dieser
Ausgabe, Matthias Pape und Silke Spieler, liegen.
Ostdeutsche
Gedenktage 1991 ist unter der Nummer ISBN 3-88557-083-1 auch über den
Buchhandel bestellbar.
Anton
Potche
aus BANATER POST, München,
5. September 1991
Mittwoch, 12. Juni 2013
"Gruß aus Jahrmarkt" (VII)
Namen, Jahreszahlen und Ereignisse in der 70jährigen Geschichte der Loris-Kapelle
von Prof. Hans Speck
Im Jahre 1960
übernahm
Mathias Loris senior, Sohn des
Ignatz, die Leitung der Kapelle. Sein noch
rüstiger Vater begann mit der Ausbildung einer neuen Musikantengeneration, zu
der Mathias Loris junior,
Mathias Stefan,
Franz Nix, Peter Küchler,
Josef Probst,
Michael Probst, Adam Barth,
Hans Eichinger zählen.
Am 9. Februar 1968 begleitete eine
ganze Trauergemeinde Martin Loris auf seinem
letzten Weg.
Unter der Leitung von
Mathias Loris senior, entfaltete die
Kapelle eine vielseitige Tätigkeit. Als Orchester des Kulturheims
spielte sie bei vielen Gelegenheiten zum Tanz auf, Wettbewerbe brachten
Lob und Preise ein. 1970, beim ersten Landesfestival der Blasmusik in
Alba-Iulia, wurde die Loris-Kapelle
mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Altmeister Prof. Josef Klein,
ein Name der ruhmreichen Klang in der gesamten rumänischen
Blasmusikbewegung hat, war in dieser Zeitspanne hingebungsvoller Berater
und griff auch selbst zum Taktstock.
1970 begann auch
Mathias Loris sen. mit der Ausbildung einer 30 Mann starken
Blaskapelle.
Mit dem Jahr 1970 ist auch eine neue,
umwälzende Epoche in der Geschichte der
Loris-Kapelle verbunden.
Mathias Loris jun. - der seine Musikkarriere als
Tambourschläger begann - absolvierte in diesem Jahr erfolgreich das
Temeswarer Musiklyzeum "Ion Vidu" und setzte sein Musikstudium am
Konservatorium "Gh. Dima" in Cluj-Napoca fort. Im Frühjahr desselben
Jahres begann der 18-Jährige seine Dirigentenlaufbahn als Vertreter der
vierten Generation der "Loris-Dynastie".
"Jahrmarkter Jungmusikanten" nannte
er die 16 Mann starke Kapelle, die unter seiner Leitung am 26. April
1970 erfolgreich ihre Feuertaufe bestand. Zahlreiche Musikfreunde,
Journalisten und sogar eine Delegation aus der DDR - die damals in
Temeswar weilte - hatten sich zu diesem großangelegten Fest eingefunden.
Blumen auf dem Dirigentenpult und stürmischer Beifall waren Belohnung
und Anerkennung für den Beginn seiner Laufbahn, bedingt durch eine
Tradition, die verpflichtet. Zu den Mitgliedern der DDR-Delegation
zählte auch der unseren Lesern und Theaterfreunden wohlbekannte Dichter
Heinz Czechowski, der als Anerkennung für die an diesem Abend
vollbrachte musikalische Leistung dem jungen Dirigenten eine von ihm
herausgebrachte Lyrik-Anthologie "Brücken des Lebens" überreichte. In
der vom Autor gezeichneten Widmung heißt es, "den Freunden in Jahrmarkt
zum Dank für die schönen Stunden, Heinz Czechowski". Die deutsche
Redaktion des Bukarester Fernsehens wurde auf die "Jungmusikanten"
aufmerksam und gestaltete zwei Sendungen mit ihnen.
In den frühen Morgenstunden des 31. Januar 1971 wurde der
langjährige Dirigent der Musikkapelle,
Ignatz Loris, vom Schicksal des Lebens für
immer aus ihrer Mitte abberufen.
aus NEUE
BANATER ZEITUNG, Temeswar, 12. August 1978
Montag, 10. Juni 2013
Unsere Lobby
Ein sterbendes
Volk wird von den Medien entdeckt
Wenn das Wort
"Lobby" die Gesamtheit der Lobbyisten bezeichnet, so müssen wir uns
ihnen zuwenden. Lobbyist ist jemand, der Abgeordnete für seine Interessen zu
gewinnen sucht. "Wir haben keine Lobby". Also wir haben niemand, der
für unsere Interessen und unser Erscheinungsbild wirbt.
Unwahr, muß man
feststellen, wenn man die Aktivitäten der Landsmannschaften der vergangenen 40
Jahre unter die Lupe nimmt. Da hat es an Werbung für die eigene Sache und
derer, die noch "unten waren oder sind", nicht gefehlt. Daß hier eine
weiterführende Diskussion über Qualität und Sinn dieser (oder nur einzelner)
Veranstaltungen unbeschränkt viel Raum für subjektive, ja sogar ideologische
Argumentationen eröffnet, sollte eigentlich vom Grundkonsens aller
landsmannschaftlichen Aktivitäten nicht ablenken: das Werben für Verständnis
und Akzeptanz eines sterbenden Volksstammes.
Wahr, wenn man
berücksichtigt, daß das Sterben der Donauschwaben bereits durch die Trianoner
Beschlüsse begann, ja von ihnen sogar eingeleitet wurde, ohne daß die
Weltöffentlichkeit davon Notiz nahm. Jenes Jahr 1920 brachte den ersten
schweren Schlag für die kulturelle und wirtschaftliche Einheit der deutschen
Diaspora in Südosteuropa. Der Sturz des kommunistischen Diktators Ceauşescu
im Dezember 1989 brachte das endgültige Aus für die letzten Bastionen
habsburgischer und damit verbunden reichsdeutscher (18. Jahrhundert) Geschichte.
Das waren 70 Jahre langsamen Sterbens in Form von Deportation (Jugoslawien,
Rumänien, Ungarn), Vernichtung in Konzentrationslagern (Jugoslawien),
Vertreibung (Jugoslawien, Ungarn) und Auswanderung (Rumänien). Das Aussterben
der Donauschwaben und der Siebenbürger Sachsen, die einzigen Relikte deutscher Geschichte
in Fleisch und Blut, blieb im unheimlichen Schweigen, daß nach 1945 über
Europa lag, unbemerkt.
Nach
dem gesellschaftlichen Urknall in Osteuropa stieg das Interesse für die
Deutschen in Rumänien schlagartig an. Plötzlich wurde auch das Todesröcheln
der Banater Schwaben wahrgenommen. Das ist, Gott sei Dank nur nebenbei, auch dem
Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine, zu verdanken. Zum
Glück sind es aber nicht dessen Deutschtümelei-Theorien, die sich in der
Öffentlichkeit durchgesetzt haben, sondern eher die sachlichen, geschichtlich
und auch geographisch zwar nicht immer einwandfreien, aber von
unvoreingenommenen Informationsabsichten zeugenden Kommentare in den deutschen
Medien.
Die
Banater Schwaben bringen in ihrem Auswanderungsgepäck nicht nur ihre letzten
und liebsten Habseligkeiten mit. Ihr Schicksal beendet das Sein des Volksstammes
der Donauschwaben im geographischen Raum, den ihm die europäische Geschichte
zum Werden, Leben und Vergehen zugewiesen hat. Noch nie wurde das Ende eines
deutschen Volksstammes so bewußt erlebt wie jetzt. Man will dabei sein, denn es
geht letztendlich nicht nur um ein grandioses Spektakel, sondern man verspürt
plötzlich die Faszination des Entdeckens. Da reift ein neues Bewußtsein. Nur
1000 km südöstlich von uns - einst sehr weit, heute nur ein paar
Autobahnstunden entfernt - existierte zweieinhalb Jahrhunderte lang ein
deutscher Volksstamm und wir wußten kaum etwas von ihm. Schnell hin und auf
Filmband festhalten, was noch erkennbar ist.
Während
in den ersten Monaten nach der Wende in Rumänien noch die Berichte über die
miserable soziale Lage der rumänischen Bevölkerung und über die exotischen
Zigeuner überwogen, wendeten sich die Berichterstatter der Fernseh- und
Rundfunkanstalten langsam aber sicher dem Problem der Deutschen in Rumänien zu.
Freilich hat die uneingeschränkt positive Haltung einiger Bonner Würdenträger
- Kohl, Schäuble, Genscher können nur stellvertretend
für viele genannt werden - zu diesem Wandel entscheidend beigetragen.
Als
ein Höhepunkt der Berichterstattung über die Geschichte der Donauschwaben kann
man den am 15. Juni im ARD-Programm "Nachbarn" (13.30 Uhr) gesendeten
Film "Der letzte Schwabenzug" bewerten. Die Besiedlungsgeschichte des
Banats mit seiner Hauptstadt Temeswar wird anhand einer Landkarte und mit Stefan
Jägers Einwanderungstryptichon anschaulich dokumentiert. Mit den Bildern
aus Jahrmarkt, dem Dorf, das baulich wohl die bemerkenswertesten Umwandlungen
vom alten österreichischen Barockstil zu einem neuen, den Bedürfnissen der
Zeit angepaßten Dorfhaus durchgemacht hat, kommt man schnell dem
Schwerpunktthema, das die Autoren sich gesucht haben, näher: der Zerfall des
deutschen Erbes in diesem Dorf und im ganzen Banat.
Das
menschliche Drama der Auswanderung kommt in diesem Film voll zur Geltung. Die
Worte des alten Pfarrers Josef Czirenner, der seine Hand auf der Quelle
des Prinz-Eugen-Brunnens wie auf einem schützenswerten Symbol
donauschwäbischer Urbarmachung ruhen lässt, enthalten den unsagbaren und von
Außenstehenden kaum nachvollziehbaren Schmerz, den das Auflösen einer bislang
intakten Dorfgemeinschaft mit sich bringt: "Da war Leben. Frosinn war in
der Gemeinde, Glück und Zufriedenheit. Schade, daß die Ruinen nur mehr da sind
und die Menschen, die damals so glücklich waren, das alles aufgebaut haben,
sie sind fort. Doch die Ruinen sind geblieben. Es war ein Stück Heimat. ... Wir
sind verschwunden, am aussterben. ... Es ist vorbei. ... Es ist schade, daß
gerade die letzten da so viel leiden müssen. ... Wir gehen zugrunde,
seelisch."
Das
Schicksal vieler zurückgebliebener, alter Menschen ist sehr schwer. Das
Deutsche Forum versucht den gegebenen Verhältnissen entsprechend zu helfen.
Leicht ist das nicht, denn Neid und Antisemitismus machen den Deutschen schwer
zu schaffen.
Das
Wirken der katholischen Kirche kann nur noch in Temeswar und wenigen größeren Ortschaften
aufrechterhalten werden. Bischof Sebastian Kreuter: "Dort (A. d. V.:
in den ehemals deutschen Gemeinden) bleibt nichts anderes übrig, als diese
Kirchen den Orthodoxen zu übergeben, damit sie sie instand halten. Das tut uns
wohl weh, aber die Frage ist nicht anders zu lösen."
Im
Deutschen Theater Temeswar verlieren sich wenige Zuschauer, in ihren Mänteln
vereinsamt und vergessen aussehend. Ildicko Jarcek Zamfirescu versucht
das Noch-Bestehen dieses Hauses zu rechtfertigen.
Die
Lenau Schule ist nur noch vom Namen her eine deutsche Schule. Die deutsche
Schule von Gottlob wird nur von vier Kindern besucht, die von einer
Kindergärtnerin betreut werden.
Die
Bodenreform ist eine Farce, die dem urigen Humor des bäuerlichen
Überlebenskünstlers Hans Tittenhofer aus Gottlob Geltung verschafft:
"Ja, 10 Prozent (A. d. V.: von seinem Feld) werden wir vielleicht
zurückbekommen. Aber wann das ist, weiß man noch nicht, ob im Sommer oder im
Herbst. Feld bekommen zuallererst die 5-Hektar-Bauern. Und nach den 5-Hektar
Bauern, so han mer gsagt, des ware die mit dem Titel, die han s'erscht gholl vun
de Schwowe, net?, un dann bekommen wir auch. Aso, die sin immer die erschte. Die
haben s'erscht bekommen im 45 un die bekommen wieder s'erscht. Un wenn noch was
bleibt bekommen wir auch... Im 45 war ich 15 Jahre alt. Dann, wie die komme sind
und uns alles weggenomme hab'n, hab ich gar net gwußt, was wolle die? Da bin
ich zu mei'm Vatter glaufen: 'Schau. die werfn uns den Stroschuwer um un de
Laubschuwer. Was machen die denn da in dem Hof? - 'Ja', sagt der, 'des is die
reforma agrară. Die nehmen nur dem, der
wu was hat. Der wu nicks hat, dem kann mer nicks wegnehme.'"
Die
Maiers und Köstners aus Wolfsberg in 1000 m Höhe reisen aus. Die
Fernsehkameras sind dabei. Sie zeichnen alles auf. Sie wenden sich auch nicht
ab, wenn die Gefühle hemmungslos aus den Herzen brechen. Schockierend wirkt der
Kontrast: deutscher Abschied - rumänische Hochzeit. Aber die Symbolik dieser
Bilder steht wohl oder übel für die geschichtliche Unumkehrbarkeit der
deutschen Auswanderung aus Rumänien.
"Der
Ausflug der Rumäniendeutschen in die europäische Geschichte scheint
beendet."
Ein
Zug fährt über die endlose Heide gegen Westen: "Banat - Der letzte
Schwabenzug".
Ein
preisverdächtiger Dokumentarfilm ist zu Ende. Wir verdanken ihn Helga Höfer
und Michael Ament, die für die Regie zeichnen, Jochen Dorchholz,
Kamera; Stefan Hartmann, Ton; Christine Süss, Schnitt; Klaus
Schumann, Mischung; Julia Fischer, Sprecherin; Michael Ament,
Redaktion. Eine Sendung des Bayerischen Rundfunks. 1991.
Helga
Höfer hat durch diesen Film nicht nur ihrer Banater Heimat ein Denkmal
gesetzt. Sie hat vielen am Auswanderungsdrama Unbeteiligten in die Seele
gesprochen, was aus den Seelen der unmittelbar Beteiligten spricht.
"Wir
haben eine Lobby." Die Tragik liegt in ihrem späten, viel zu späten
Erwachen. Wäre sie in den Jahrzehnten des kalten Krieges da gewesen, hätten
viele Deutsche für das Aussiedlerproblem eine andere Verständnisbereitschaft
entwickelt.
Mark
Jahr
aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 11. August 1991
Mittwoch, 5. Juni 2013
"Gruß aus Jahrmarkt" (VI)
Namen, Jahreszahlen und Ereignisse
in der 70jährigen Geschichte der Loris-Kapelle
von Prof. Hans Speck
Anlässlich der 160-Jahr-Feier der
Gemeinde Sackelhausen schreibt Egidius Haupt in seinem Buch "Geschichte der
Gemeinde Sackelhausen" folgende Lobesworte: "Meister
Loris, der mit seiner vortrefflichen Knabenkapelle die Musik
besorgte, verdient volles Lob und als Anerkennung sei ihm mit seinen braven
Buben auch ein Plätzchen in diesem Buch eingeräumt als Zeichen der Anerkennung,
für Tüchtigkeit, erreicht durch Fleiß, Geduld und Ausdauer."
Martin Loris und die ITT-Kapelle |
Als man das Rollen der Kriegsmaschinen zum
Stillstand gebracht hatte, aber die Wirren der Zeit noch manche
sinnlosen Opfer abverlangten, konnte noch lange nicht an einen Neubeginn
gedacht werden. Erst 1947 begann Martin Loris,
unterdessen nach Jahrmarkt zurückgekehrt, zusammen mit
Ignatz Loris, dem Sohn von
Peter Loris, die Neuorganisierung
der Kapelle.
Wie schwer es war, wieder von
vorne anzufangen, um Pioniere einer neuen Zukunft zu werden, erzählen
mit voller Begeisterung die älteren unter den noch Aktiven bzw. die
Ehrenmitglieder der Kapelle, wie Mathias Loris,
Hans Schwendner,
Franz Geier,
Peter Loris, Peter Roszar,
Nikolaus Reith,
Hans Stefan,
Johann Junginger. Sie waren dabei, als in diesen
schwierigen Tagen das neue Zusammengehörigkeitsgefühl entstand, das
nicht angeordnet, sondern eigens von ihnen ausgegangen war. Sie erinnern
sich noch daran, wie schwer anfangs alles war, wie langsam alles besser
wurde und wie sich dann endlich der Erfolg einstellte, ehrlich und hart
erarbeitet. Peter Loris trat
öffentlich nur noch selten als Kapellmeister auf, aber bei den Proben
war er noch immer aktiv. Den Taktstock führten jetzt
Ignatz und
Martin Loris.
Ignatz Loris |
Der am 25. Dezember 1905 geborene
Ignatz besuchte nach Absolvierung
der Jahrmarkter Volksschule das Szegediner Gymnasium (1916 - 1920) und
bekam vom Vater den ersten Musikunterricht. Von 1926 an war er aktiver
Regimentsmusiker in Temeswar und von 1931 bis 1944 in Kronstadt. Von
1949 und bis 1963 leitete Ignatz Loris
auch die Blasmusik der Temeswarer Wollindustrie (ILSA), während in
derselben Zeit Martin Loris die
Leitung der ITT-Kapelle inne hatte. Die Mehrheit beider Kapellen
bildeten Jahrmarkter Musikanten.
Martin Loris sorgte auch für
weiteren Nachwuchs. Zu seinen Schülern zählten u. a.
Michael Kasznel,
Mathias Linz,
Franz Wanyer, Ignatz Linz,
Peter Pesch,
Mathias Ehlich und Mathias Loris.
Am 2. Oktober 1952 erlitt die Musikkapelle
Loris einen schweren Verlust durch das
Ableben ihres ersten Kapellmeisters. Unter den Klängen der Trauermärsche gab
eine große Menschenmenge dem Begründer die letzte Ehre. In einer schlichten
Grabrede wurde das Schaffen des Dahingeschiedenen gewürdigt.
aus NEUE
BANATER ZEITUNG, Temeswar, 11. August 1978
Montag, 3. Juni 2013
Zwischen Dichtung und Politik
Der
Lyriker Mircea Dinescu in Augsburg
Es
gibt Aussagen und spontane Ausrufe, die in die Geschichte eingegangen sind. Man
kennt diese Sätze und benutzt sie, ohne an die Personen und Ereignisse, denen
sie zu verdanken sind, zu denken oder sie überhaupt zu kennen.
In
der Geschichte Rumäniens könnte der Verkündung "Dictatorul a fugit! Am
învins, am învins!" eine geschichtliche Bedeutung beigemessen werden. Ihr
Ausrufer, der Dichter Mircea Dinescu, wurde auf den Schultern der
rumänischen Revolutionäre zur Zentrale des ersten
"Revolutionsfernsehens" getragen, um diesen auch für das Deutschtum
in Rumänien folgenschweren Satz in den Äther zu rufen. Für die Banater
Schwaben und Siebenbürger Sachsen bedeuteten diese Worte das Ende einer
jahrhundertelangen freiwilligen, kulturell und wirtschaftlich fruchtbaren und
erst in den letzten 50 Jahren unfreiwilligen und geistig lähmenden
Enklavenexistenz im Südosten Europas.
Während
die letzten Deutschen Rumänien verlassen, reist der Rumäne Mircea
Dinescu durch Deutschland, um die Früchte seiner literarischen
Schweigepflicht der späten 80er Jahre der Ceauşescu-Diktatur
zu ernten. Der Präsident des rumänischen Schriftstellerverbandes, der
die gestrigen kommunistischen Hofpoeten und heutigen nationalistischen
Scharfmacher um Eugen Barbu und Corneliu Vadim Tudor
vorläufig (man muß dieses Wort angesichts der Situation in Rumänien
leider gebrauchen) aus dem Schriftstellerverband verdrängt hat, genießt
in Deutschland für einen fremdsprachigen zeitgenössischen Poeten
außergewöhnlich hohes Ansehen. In der Südwestfunk-Bestenliste der
letzten 3 Monate, die von 28 Literaturkritikern in unabhängiger Auswahl
zusammengestellt wird, ist Mircea Dinescus zweisprachiger
Gedichtband Ein Maulkorb fürs Gras, übersetzt von Werner
Söllner, auf Platz 4 vorzufinden.
Am
8. Mai wurde der 41jährige "rumänische Majakowski" (so die
AUGSBURGER ALLGEMEINE) zum Akademischen Ehrenbürger der Universität Augsburg
ernannt. Der Dichter nahm das Medieninteresse, das von diesem Ereignis
ausgelöst wurde, auch prompt zum Anlaß, die Menschen, die in den Städten
Rumäniens gegen den Kommunismus kämpften und gestorben sind, und ihm, dem
Hausarrestler, dadurch die Chance der Unsterblichkeit eröffneten, vor den
Experten in Schutz zu nehmen, die den revolutionären Charakter und damit auch
die Wahrhaftigkeit ihres Freiheitskampfes in Frage stellen.
In
einem Interview der AUGSBURGER ALLGEMEINEN rückte der Mann der ersten Stunde
die Dinge wieder ins rechte Lot: "Es wäre zugleich lächerlich, absurd und
tragisch zu glauben, daß zwischen dem 19., 23. und 24. Dezember 1989 in
Rumänien eine Farce inszeniert wurde. Das war ein Volksaufstand. Mehr als
tausend Menschen sind gestorben, viele Tausende wurden schwer verletzt. Aber
das, so scheint mir, ist hier im Westen vielen Leuten enttäuschend wenig. Die
Gerüchte, daß die Revolution eigentlich nur eine Inszenierung von KGB und 'Securitate'
war, wurden von diesen Geheimdiensten in die Welt gesetzt. Wir, die wir
gekämpft haben, wissen es besser."
Mircea Dinescu |
Natürlich durfte man auf eine
Lesung mit Mircea Dinescu gespannt sein. Wer sich aber im
Bert-Brecht-Hörsaal (14. Mai, 20 Uhr) der Universität Augsburg
eingefunden hatte, um einer gewöhnlichen Dichterlesung beizuwohnen, sah
sich bald eines Besseren belehrt. Dinescu erzählte in seiner
gekonnt schwungvollen, an Gestik und Mimik reichen Art, wie einige seiner
Gedichte entstanden sind. Daß die Übersetzerin bei diesem Wortschwall
Mühe hatte, den geistigen Winkelzügen des Dichters zu folgen, war da
verständlich. Es gelang ihr trotzdem, die humorvolle Hintergründigkeit
aus Dinescus Ausführungen dem deutschen Auditorium verständlich
zu machen und dieses immer wieder zu erstauntem oder verständlichem
Lächeln zu veranlassen. Was Mircea Dinescu vorlas, war eine von
Metaphern durchwachsene, aber in keiner Zeile entstellte Erlebnisdichtung.
Hier hat nicht einer abgehoben, um sich in irgendwelchen sprachlichen
Gipfelstürmen zu erproben, sondern in diesen Gedichten wurde die Sprache
des Alltags mit all seinen Nöten und der einzigen ihm verbliebenen
Freiheit, dem bissigen, galligen Humor, zur dichterischen Kunstform
erhoben. Dabei darf man nicht übersehen, daß die deutschen
Nachdichtungen Werner Söllners dem Niveau des Originals in jeder
Weise ebenbürtig sind.
Trotzdem konnte
man diese Dichterlesung auch mit gemischten Gefühlen verlassen. Gegen Ende
seines Vortrages war von Mircea Dinescu zu vernehmen: "Ich wünsche
mir manchmal, von einigen Kritikern unter Hausarrest gehalten zu werden."
Oder ganz zum Schluß dankte er der Universität Augsburg, daß sie ihm die
Gelegenheit gegeben hat, sich zu erinnern, welch großartiger Dichter er in
seiner Jugend war. War das überhaupt noch der Dichter aus dem Hausarrest, oder
stand da ein Intellektueller, dessen Denken und Handeln längst vom politischen
Alltag bestimmt wird? Trugen die Aufständischen am Tag des Ceauşescu-Sturzes
den Dichter Mircea Dinescu auf ihren Schultern oder den Vorzeigerevolutionär, von dem sie sich die Befreiung vom kommunistischen Joch
erhofften?
Anton
Potche
aus BANATER POST, München,
20. August 1991
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