Dienstag, 30. Juli 2013

Der Dokumentarstreifen "Gruß aus Jahrmarkt",

Filmfoto: Mathias Loris jun.
der vom Bukarester "Sahia"-Filmstudio in diesem Frühjahr in Jahrmarkt und Temeswar über die Loris-Kapelle gedreht und am 24. August schwarz-weiß vom Fernsehen übertragen wurde, hat Sonntag, den 15. Oktober, im Jahrmarkter Kulturheim Kino-Premiere. Der 35-mm-Farbfilm wird am Nachmittag viermal vorgeführt, und zwar ab 14 Uhr jeweils von halber zu halber Stunde. Unter anderen wird Regisseur Paul Orza zugegen sein.

aus NEUE BANATER ZEITUNG, TEMESWAR, 13. Oktober 1978

Mittwoch, 24. Juli 2013

Die Original Temeschtaler Musikanten

1. Bundestreffen der Banater Blaskapellen und Volksmusikorchester
Erst seit zwei Jahren gibt es die Original Temeschtaler Musikanten. Den Kinderschuhen ist dieses Orchester aber längst entwachsen. Nicht nachahmen, sondern selbst nach eigenen Vorstellungen Musik gestalten, scheint die Devise dieses Klangkörpers zu sein. Die Mannschaft um Richard Dobner hat erkannt, daß Erfolg im heutigen Musikbetrieb nur noch Rezeptivität und Kreativität , gepaart mit einem gesunden Verhältnis zur Tradition, errungen werden kann. Neue Schlager, Eigenkompositionen und altes, auch aus dem Banat mitgebrachtes Lied- und Tanzmusikgut füllen in diesem Sinn das Repertoire der Original Temeschtaler Musikanten.
Aus welcher Gegend die meisten Orchestermitglieder kommen, besagt schon der Name dieser Gruppe. Der Wetschehausener Richard Dobner sammelte gleich nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland, 1989, einige musikalisch aktive Landsleute um sich, nutzte das freundliche Entgegenkommen Frau Mechers, der Leiterin des Banater Hauses, und begann mit den Proben des neuen Orchesters in einem Raum des erwähnten Hauses am Würzburger Ostbahnhof. Der noch junge, aber beherzte Musiker schöpft seine Qualitäten als Orchesterleiter aus den Erfahrungen einer bereits zurückliegenden, abwechslungsreichen musikalischen Tätigkeit. Seinen ersten Akkordeonunterricht nahm der 10jährige Richard beim Lugoscher Organisten Franz Metz sen. Nach einem dreijährigen Lehrgang in der Volkskunstmusikschule trat er dem Wetschehausener Blasmusikorchester  bei. 1986 wechselte er zum Kornblumenorchester des Lugoscher Volkstheaters, dessen musikalische Leitung er bereits ein Jahr später übernahm.
Obwohl es 1989 schon viele bekannte Banater Musikkapellen in Deutschland gab, gelang es den Original Temeschtaler Musikanten, sich in die Herzen vieler Landsleute zu spielen.  Sie sind mit Sicherheit nicht nur eine Bereicherung für die kulturellen und geselligen Veranstaltungen der Banater Schwaben aus dem Würzburger Raum; auf ihre Weisen schwingen Menschen das Tanzbein auf Kirchweihen, Bällen und Hochzeiten in ganz Deutschland.
Die Kontaktadresse der Original Temeschtaler Musikanten: Richard Dobner, Saarlandstr. 2A, 6700 Ludwigshafen am Rhein, Tel. 0621/578358.

Anton Potche
aus  BANATER POST, München, 5. Oktober 1991

Montag, 22. Juli 2013

Uraufführung in Jahrmarkt

Filmfoto
hst. Temeswar. - In Jahrmarkt wird Sonntag erstmals der Farbfilm "Gruß aus Jahrmarkt" gezeigt, der im Mai bei der  Jahrmarkter Kerwei vom Bukarester Alexandru-Sahia-Studio (Regie: Paul Orza) gedreht wurde. Der Film stellt Kerweibräuche vor und will auch einen Einblick in das Musikleben der Großgemeinde geben. Gefilmt wurde die Loris-Kapelle, die bekanntlich heuer ihr 70jähriges Bestehen gefeiert hat. Der Streifen wird Sonntag viermal - und zwar um 14 Uhr, um 14.30, um 15 und um 15,30 Uhr - vorgeführt.

aus NEUER WEG, Bukarest, 13. Oktober 1978

Mittwoch, 17. Juli 2013

Uf Bsuch

Mit der Sunn im Buckl
fahr ich langsam ins Dorf.
Vor Johre hun ich do gedenkt:
Jetz gehst forr immer fort.

Alles is so,
wie ich's in Erinnerung hatt.
Norr die Akaze- un Nußbeem
sin noch gewachs.

Zwaa schwowische Weiwer
hun ich noch gsiehn.
Die misse alle zwaa schun
iwer achzich sin.

Die oon hot immer
geger der Kerchuf gschaut.
In der Richtung
steht noch e deitsches Haus.

Die anner hot bucklich
newrem Gasseteerche gsitzt.
Im Hof hot e Rumäner
die Trauwe gspritzt.

Alle zwaa hun ehre Käpp
noh mer gedreht.
Ich hun die unendlich Trauer
aus ehre Aue gspeert.

Mit der Sunn im Buckl
fahr ich langsam aus'm Dorf.
Die zwaa alte Schwowinne
bleiwe wedder dort.

Sin ich un mei Dorf
net forr immer gschied,
no will ich's nächste Mol
ka deitschi Seel meh dort siehn.


Uf der Schanz, 1989
Potche Toni

aus BANATER POST, MÜNCHEN, 20. September 1991

Montag, 15. Juli 2013

Hundert Schallplatten bespielt

Kapellmeister Peter Müller und die Musikgeschichte seines Geburtsortes Kowatschi

Das kleine Dorf Kowatschi kann einen großen, einmaligen Rekord in unserer schwäbischen Musikgeschichte aufweisen: ein Kind des Dorfes, der spätere Kapellmeister Peter Müller, geboren am 24. August 1892, bespielte rund 100 Grammophonplatten; auch die erste Langspielplatte mit fast ausschließlich Banater Musik stammt von ihm.

Peter Müller
Bildquelle: Robert Rohr - 
Unser klingendes Erbe, Bd.1
Wie sein Bruder Michael und der bedeutende spätere Ortskapellmeister Matthias Zornick hatte der begabte Junge bei Johann Schütt ein Instrument gelernt, wahrscheinlich dem ersten Kowatschier Kapellmeister. Peter Müller durfte nach seiner Lehrzeit 1908 mit John Webers Knabenkapelle im Sommergarten der Hamburger Willhelmshalle musizieren. 1909 kam er nach Philadelphia und wurde hier mit seinen Geschwistern und anderen Kowatschiern ansässig.
Der gelernte Möbelanstreicher musizierte in Amerika eifrig und gründete bereits 1921 seine Banater Kapelle, mit der er in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen große Schallplatten-Erfolge erzielte. Viele seiner Musikanten kamen aus dem Banat, und ein wesentlicher Teil des Repertoires stammte von hier. Anfangs spielten sie Blas- und Streichmusik in Lokalen. Die erste Schallplatte brachten sie schon im Gründungsjahr 1921 bei der Firma "Arion" heraus. Danach folgten laufend Aufnahmen bei verschiedenen amerikanischen und englischen Firmen, vor allem bei "Columbia" und "Odeon", die letzte 1936 bei "Standard International". Interessant ist ferner, dass Müller seine Platten mit Musik und Gesang produzierte, ein beachtlicher Teil sind eigentlich Humor- bzw. Sprechplatten mit Musikuntermalung (Sprecher: Waldemar Alfredo, Theaterdirektor in New York), wobei viel Banater Volksgut festgehalten wurde.
Als Arrangeur fungierte der Temeswarer Arpad Peter Leblanc, der Posaune und Althorn blies. Einige Platten umfassten Eigenkompositionen Peter Müllers, andere Stücke von Johann Kneip, einem talentierten Kowatschier Musiker und Komponisten, der in mehreren Ortschaften (Uihel, Warjasch) gewirkt haben soll. Er war im ganzen Banat bekannt und unter den Kapellmeistern beliebt. Vielen schwachen Kapellen soll er in kürzester Zeit wieder auf die Beine verholfen haben. Kneip (geboren 1865) hatte das Flügelhorn zum Hauptinstrument. Er beherrschte es ausgezeichnet, auch noch in der Zeit, als er keine Zähne mehr hatte. Sein Lehrer war, wie bei Müller, Johann Schütt. Der arme Bauernsohn wirkte lange Jahre in Militärkapellen, bildete sich dort fort, erlernte mehrere Instrumente und brachte es zum stellvertretenden Kapellmeister. Die bekanntesten und jetzt noch gespielten Stücke Kneips sind der Walzer "Der Traum eines Kriegers", die "Alte-Zeiten-Polka" und "Ein gutes Herz". Sein Stiefbruder Matthias Kneip war ein guter Klarinettist, ein Kusin, Sepp Kneip, musizierte mehrere Jahre in Australien.
Der bekannteste Orchesterleiter in Kowatschi war nach Schütt dessen Schüler Matthias Zornick (geb. 1896), ein Kollege von Peter Müller in der Knabenkapelle. Seine Hauptinstrumente waren Klarinette, Bassflügelhorn und Violine. Die Kapelle in seinem Heimatdorf hatte er um 1915 übernommen - er war auch Militärmusiker ("Szupas") und erneuerte ihr Repertoire. Er war gut befreundet mit den Jahrmarkter Kapellmeistern Peter und Martin Loris, mit denen er ständig Notenmaterial austauschte. Seine stets 15 - 16 Mann starke Kapelle - um 1925 hatte er sich eine zweite Musikantengruppe herangebildet - spielte sowohl Blas- als auch Streichmusik.
Luzian Geier

aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 15. September 1978

Mittwoch, 10. Juli 2013

Die Original Banater Schwabenkapelle

Teilnehmer beim 1. Bundestreffen der Banater Blasmusikanten
Die verjüngte Blaskapelle aus Neupetsch unter der Leitung von Peter Pohl war die Überraschung." Dieser Satz war in der NBZ vom 3. November 1981 zu lesen, und er bezog sich auf eine der Kapellen, die am 31. Oktober 1981, also vor 10 Jahren, das Galakonzert der "Pipatsch-Kür" gestalteten. Die Liebhaber volkstümlicher Blas- und Unterhaltungsmusik aus dem Banat hatten im vorausgegangenen Sommer in einer wochenlangen "Pipatsch-Kür" ihre Lieblingskapellen ermittelt. Auf 16.953 von insgesamt 182.789 eingesandten Stimmkupons stand in der Rubrik "Nome vum Orchester un seim Scheef" der Name Peter Pohl, Neipetsch. Der NEUE WEG schrieb zwei Tage später zu diesem Konzert: "Eigentlich schade, daß die junge, aber aus gut geschulten Musikern bestehende Peter-Pohl-Kapelle aus Neupetsch nur den vierten Platz belegte. Im Konzert vom Samstagabend in der Temeswarer Olympiahalle vertraten sie wohl am besten und am gekonntesten die langjährige und auch reichhaltige Blasmusiktradition im Banat durch das Repertoire und durch den Interpretationsstil. Es fehlte jede Effekthascherei, jedwelches Streben, auf anderen Wegen als auf dem der Blasmusik dem Publikum zu gefallen."
Es gibt keine Blaskapelle in Neupetsch mehr, aber es gibt weiterhin die Neupetscher Blaskapelle. Glücklicher Zufall oder auch Absicht führte die meisten Neupetscher Musikanten nach ihrer Ausreise aus dem Banat im Raum Göppingen wieder zusammen, wo sie 1983 die Original Banater Schwabenkapelle gründeten.
Zu ihrem "Scheef" wählten sie den jungen Elektriker Mathias Mittler. Als 6jähriger lernte Mathias das Akkordeon spielen. Das Tenorhornblasen brachte er sich gleich selbst bei. Also ein Autodidakt, aber durch und durch musikalisch. Kaum 13 Jahre alt trat er der Neupetscher Blaskapelle bei, wo sein Talent von den Kapellmeistern Richard Anheuer und Peter Pohl erkannt und gefördert wurde.
Heute wird das Gesangsduo der Original Banater Schwabenkapelle von Peter Pohl und Richard Anheuer gebildet. Damit ist wohl alles über den Geist dieser Kapelle, in deren Reihen neben den Neupetschern (über 80%) auch Jahrmarkter, Königshofer und "einheimische Göppinger" musizieren, gesagt. Ebenso klingt auch ihre Musik: harmonisch, melodisch, rhythmisch, Freude ausstrahlend und vermittelnd.
Die Original Banater Schwabenkapelle spielt nicht nur für die Banater Schwaben. Sie ist bereits ein fester Begriff im Kulturleben der Göppinger Umgebung. Ihre Kurkonzerte in Bad Boll und Bad Überkingen haben schon viele Gäste aus ganz Deutschland erfreut. Die schönsten ihrer Stücke hat die Kapelle auf den MCs "In alter Freundschaft" und "Ohne Heimat ist die Welt nicht schön" aufgenommen.
Über folgende Kontaktadressen kann man sowohl die MCs bestellen als auch Aufträge terminieren: Peter Pohl, Silcherstr. 61, 7332 Eislingen/Filz, Tel.:07161/81901; Mathias Mittler, Panoramastr. 34, 7321 Albershausen, Tel.: 07161/32939.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 20. September 1991

Montag, 8. Juli 2013

Mehala

Hans Kaszner sen. spielte
mit seiner Kapelle schon 1968
beim Kerweifest in der Mehala.
Mehala. Insgesamt 28 Trachtenpaare beteiligten sich am hiesigen Kerweifest. Dem ansehnlichen Zug voran marschierten das Vortänzerpaar Helmuth Bohusch mit Gerlinde Dreier, die Nachtänzer Norbert Pflanzer - Edith Amschlinger und die drei Kinderpaare Nicki Szenteff - Rita Uitz, die Geschwister Richard und Gerlinde Vizce und Brudi Todor - Monika Bohn. Der Strauß gelangte durch Lizitation an das Kerweipaar Walter Uitz - Christine Schweitzer. Der 16jährige Lenau-Schüler mit seiner gleichaltrigen Partnerin aus dem Musiklyzeum waren hier die jüngsten Straußgewinner seit 1956. Den Hut nahm Elisabeth Schneider mit nach Bokschan, während Ferdinand Gunkel das Tuch erhielt. Zu den Organisatoren gehörten Ferdinand Totterer, Käthe Povacsek, Theodor Werth und Alfred Marmon. Besonderes Lob verdient auch Margarete Murariu, die die Hüte der Jungen und den Strauß mit schöner Sorgfalt geschmückt hat. Musik machte die Kaszner-Kapelle aus Jahrmarkt.


aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 12. September 1978

Mittwoch, 3. Juli 2013

Aussiedler - ein natürliches Politbarometer

In der Badischen Zeitung vom 19. August 1991 war unter der Überschrift "Jelzin unterstützt Sowjetdeutsche" zu lesen: "Der russische Präsident Jelzin hat versprochen, den Sowjetdeutschen bei der Wiederherstellung ihrer Autonomie zu helfen... Zugleich verwies Jelzin auf den örtlichen Widerstand im Gebiet der ehemaligen deutschen Wolgarepublik."
Um diese Zeit war Gorbatschow bereits vorübergehend entmachtet und das Schicksal der Sowjetdeutschen genauso in Frage gestellt wie das der ganzen Sowjetunion. Nur drei Tage später war erkennbar, daß Jelzins Rußland in Zukunft der Machtfaktor Nr. 1 in einem losen, noch nicht definierten sowjetischen Staatenbund sein wird. Ob man da bald eher von Rußlanddeutschen als von Sowjetdeutschen reden muß?
Heinrich Groth, der Vorsitzende der Unionsgesellschaft der sowjetdeutschen "Wiedergeburt", gibt sich in einem Interview der Moskau News vom August optimistischer: "Die ältere Generation erinnert sich der Deutschen als friedlicher und arbeitsamer Nachbarn. Die demokratischen Bewegungen, in erster Linie das 'Demokratische Rußland', sind zu unseren Verbündeten geworden." Auf die Frage nach der deutschen Aussiedlung ist anklingende Resignation spürbar: Das ist eine schmerzhafte Frage. Wenn das Tempo der Ausreise anhält, kann man die Geschichte der deutschen Siedler in Rußland in einigen Jahren als abgeschlossen betrachten. Ich meine, daß die Wiederherstellung der deutschen Autonomie im Wolgagebiet die einzige Möglichkeit ist, einem solchen Ausgang entgegenzuwirken." Wie groß das Fragezeichen hinter der Wiedererrichtung einer Republik der Wolgadeutschen trotz des Inkrafttretens des vom Obersten Sowjet der Russischen Föderation verabschiedeten Gesetzes über die Rehabilitierung der Völker, die Repressalien ausgesetzt waren, ist, verdeutlichen die Worte des Vorsitzenden der Kommission für nationale und staatliche Ordnung und zwischennationale Beziehungen des Nationalitätensowjets des Obersten Sowjets der Russischen Föderation, Nikolai Medwedjew: "An die Orte, aus denen in den dreißiger bis fünfziger Jahren einerseits Völker deportiert wurden, siedelte man Menschen anderer Nationalitäten an... Die neuen Siedler bestellten den Acker, bestatteten die Verstorbenen und brachten ihre Kinder zur Welt. Seitdem (es sind inzwischen fast 50 Jahre vergangen) ist die Bevölkerung dieser leidgeprüften Gebiete auf das Doppelte und Dreifache gewachsen. Was soll man heute unternehmen? Soll man eine weitere Deportation durchführen, die Rechte der einen wiederherstellen und die der anderen damit verletzen?... Unter den Bewohnern des Saratower Gebiets gibt es nicht wenige, die gegen die Wiederherstellung der Republik der Wolgadeutschen protestieren."
Tatsache ist, daß die Deutschen massenweise die Sowjetunion verlassen. Ihre Vorfahren wurden 1764 von Katharina der Großen gerufen. 1918 wurde die Autonome Republik der Wolgadeutschen gegründet. Bereits 1941 liquidierte Stalin die junge Republik und deportierte die Deutschen nach Kasachstan, Kirgisien, Nowosibirsk und Omsk, wo die Arbeitsfähigen in den damaligen Arbeitsarmeen eingesetzt wurden. Als Grund für diese Maßnahmen wurde eine (natürlich absurde) Kollektivmitschuld der Wolgadeutschen am Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion angegeben. Wie Millionen Deutsche im Osten und Südosten Europas haben auch sie, allen Schikanen zum Trotz, überlebt. Ihr Gespür für lauernde Existenzbedrohungen ist aber heute schärfer denn je. Sie sehen keine Zukunft mehr im zerfallenen Sowjetreich. Sie konnten die Lage in ihrem Land in den letzten Jahren weit realistischer beurteilen als so manche Rußlandkenner aus dem Westen. Die Folge der erlangten Erkenntnisse war und ist heute mehr denn je die Ausreise nach Deutschland, die Flucht vor einem sich anbahnenden nationalen Chaos.
Hätten westliche Politiker und Sowjetunionexperten die Auswanderungsgründe der Sowjetdeutschen gründlicher analysiert, dann hätten sie den Ereignissen vom 19. August weit weniger überrascht gegenübergestanden. Wer bei uns übrigens für eine Aussiedlerzuzugsbeschränkung plädiert, sollte bedenken, daß er damit nur ein zusätzliches konfliktförderndes Nationalitätenproblem der Noch-Sowjetunion ignoriert. Durch die vorurteilslose Aufnahme der ausreisewilligen Deutschen aus der Sowjetunion würde man der Zentralregierung in Moskau einen größeren Dienst erweisen als durch das Gewähren von zusätzlichen Geldsummen, die zur Milderung der aufbrechenden Nationalitätenkonflikte sowieso nicht beitragen können.
Anton Potche
aus BANATER POST, München, 20. September 1991

Montag, 1. Juli 2013