Donnerstag, 26. September 2013

Licht in Temeswar

Zum Bericht "Festliche Zwölfpfünder am Heiligen Abend" auf der "Bunten Seite" (Ausgabe 21./22.12 1991):
Straßenbeleuchtungen waren in der "Lichtära" Ceauşescus in Rumänien nicht üblich. Dabei hätten zumindest in Temeswar die Straßen nachts beleuchtet sein müssen, wenn auch nur, um dem Ruf, als "erste europäische Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung" in die Geschichte eingegangen zu sein, gerecht zu werden. Am 12. November 1884 wurde in Temeswar, damals eine österreich-ungarische Provinzstadt, die elektrische Straßenbeleuchtung eingeführt. Laut einer Eintragung im "Chronologischen Wörterbuch der Weltwissenschaft und -technik", erschienen 1979 in Bukarest, brannten an jenem Tag zum ersten Mal in einer Stadt Europas 731 Glühbirnen zum Zweck der Straßenbeleuchtung; eine Leistung, die nun nach zwei Jahren "rumänischer Marktwirtschaft" in dieser Stadt wieder in erreichbare Nähe gerückt ist. Konkurrenz ist also für Herrn "Vollmond" endlich auch in Südosteuropa angekündigt. Die Menschen dort sehnen sich nach wie vor nach Licht und einem Ausblick in eine bessere Zukunft.    
Anton Potche      

  aus DONAUKURIER, Ingolstadt, 31. Dezember 1991                                       

Dienstag, 24. September 2013

Ausklang der Kerweifeste

Schon im Jahre 1977 spielten
Kaszner-Musikanten bei der Kerwei
in Königshof (Kleinremetea) auf.
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JP - Kleinremetea. Unter den Klängen der Jahrmarkter Hans-Kaszner-Kapelle marschierten Sonntagnachmittag 10 Kerweipaare durch die schmucke Ortschaft. Die Mädchen waren in Tracht - pastellfarbene Röcke, langärmelige gestickte Hemden, bunte Dreizipfel, Samtleibchen und weiße Strümpfe -, die Jungen hatten von ihren Mädchen geschmückte Hüte auf, wobei der Vortänzer und der Nachtänzer nebst dem rosaroten auch schwarze Hutbänder trugen. Der Kerweizug, angeführt vom Vortänzerpaar Josef Mayer - Rosina Brandl und dem Nachtänzerpaar Rudolf Kasztori - Edeltraud Lambrecht, wurde im Kulturheim von zahlreichen Gästen erwartet. Beim Fass sprachen die Vortänzerin und die Nachtänzerin die Kerweisprüche, die teilweise von Gisela Butean verfasst waren. Kerweivater Franz Mangi, der seit 15 Jahren alljährlich dieses Amt inne hat, begrüßte die Gäste. Hier ist es üblich, dass jedes Mädchen einen Strauß trägt, es werden daher nur Hut und Tüchl verlost. Diese gingen an Adam Bassmann. Ferner gibt es noch ein "Mehlsäckl", das ist das jüngste und letzte Paar. Heuer waren es Siegfried Fritz und Gerlinde Adam. Als Organisatoren des Festes beteiligten sich Lehrerin Magdalena Röhmich-Butean, Kulturheimdirektor Karl Röhmich-Butean, der Kerweivater sowie die Väter des Vortänzer- und des Nachtänzerpaares.

Schon im Jahre 1977 spielten
Kaszner-Musikanten bei der Kerwei
in Moritzfeld (Măureni) auf.
W - Măureni. Das größte Fass aus den Kellern der LPG rollten die zehn Fassbuwe Samstagnachmittag zum aufgestellten Baum vor dem Kulturheim, danach zogen sie mit der Musik durch die Gemeinde, die Gäste einzuladen. Sonntag ging es erst lustig zu. Mit Mühe schleiften die Jungen den Kerweibock zum Baum, wo er alsbald "gestohlen" wurde und die Fassbuwe so verpflichtet wurden, ihn von den "Räubern" auszulösen. Anschließend hat man die Straußbänder verkauft und Hut und Tichl verlost - glücklicher Gewinner war Michael Tutitsch. Danach spielte die Jahrmarkter Kaszner-Kapelle im Kulturheim zum Tanz auf. Vortänzer war Reinhard Andres mit Steliana Blohot, Rechnungsführer Peter Hodri mit Edith Pflug, der erste Vertrauensmann Walter Dietrich mit Rozsi Gyömber, der zweite Vertrauensmann Heinz Schreiber mit Erika Buchholz. Mittwoch werden die Hüte der Jungen abgekränzelt und der Schmuck bleibt den Mädchen als Erinnerung.
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aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 14. November 1978

Dienstag, 17. September 2013

Johrmarker Sprich un Sprichelcher - 36

Eme beese Hund muss merr e Stick Brot hinwerfe.
☻     ۩     ☺
Gsammelt vum Frombach Franz alias Gerwer Franz  (1929 - 1999)

Dienstag, 10. September 2013

Das Dorf im Zentrum der Einsamkeit

Im Verlag "Das Wunderhorn" ist ein Buch mit zwei Erzählungen von Johann Lippet erschienen.
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Die Falten im Gesicht. Wovon kommen sie? Bestimmt nicht von einem sorglosen, glücklichen Alltag. Horst Bachner, ein Mittdreißiger, verlebt einen Tag völlig nutzlos. Was er unternimmt, ist meist absurd, und doch offenbart sich dem Leser ein ganzes, zwar junges, aber sehr intensiv gelebtes Leben, in dem wiederum für Sinnlosigkeiten kaum Freiräume existieren.
Diese Erzählung, in zwei Zeiten aufgebaut, macht den Blick für eine Dorf- und Stadtwelt frei, deren Charakter ausschließlich vom täglichen Überlebenskampf der Menschen geprägt war und ist. Das spezifische Dorfleben mit seinem bäuerlichen Romantikhauch, der selbst von den Härten des sozialistisch geregelten Daseins nie ganz verwischt werden konnte, ist nun doch Vergangenheit geworden. Das ihm gefolgte Leben in einer Blockwohnung der Stadt ist düster und deprimierend.
Horst Bachner existiert in der Gegenwart und lebt von der Vergangenheit. Dabei sind die Erinnerungen meist klarer konturiert als die oft undurchsichtigen Handlungen des bärtigen Intellektuellen in seiner räumlichen Enge und zeitlichen Abhängigkeit. Sein Blick geht immer zur Uhr. Dieses ständige Nachlaufspiel zwischen War und Sein erzeugt eine unbewußte Erwartung des Lesers auf den folgenden Zeitabschnitt. Während das Präsens zeitlich klar durch Sekunden, Minuten, und Stunden in seinen Abläufen überschaubar und, wieder nur zeitlich betrachtet, sogar vorausschaubar ist, stellen sich die Erinnerungen in unchronologischer Folge ein, was der Erzählung eine knisternde Spannung verleiht. Diese wird gegen Mitternacht im Accelerando gesteigert und ermöglicht ein überraschendes Finale, das - so düster es auf den ersten Blick auch scheinen mag - durch seine Skurrilität einem unbelasteten Leser (es hat ja zum Glück nicht jeder alle idiotischen Schikanen des Kommunismus erleben müssen) sogar ein - natürlich verständnisloses - Lächeln abringen kann.
Johann Lippet hat nicht nur eine menschliche Figur, die in ihrer Einsamkeit einen Extremfall (keinen Einzelfall) darstellt, kreiert. Er hat die Aussichtslosigkeit einer ganzen, als Minderheit im kommunistischen Rumänien herangewachsenen Generationen in eine literarische Gestalt konzentriert. Wer selbst in diesen Breitenkreisen gelebt hat, wird sich oft unschwer in dieser Erzählung wiederfinden, was durchaus die Vermutung zuläßt, daß Johann Lippet auch viel Autobiographisches in die Ein-Mann-Geschichte eingebracht haben könnte.
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Anton Baumgartner, der Mittelpunkt der Welt ist eine flache Geschichte, flach wie das Land, in dem das Dorf W. liegt. "Feld so weit das Auge reicht, bis zum Horizont." Ein Mann und seine Frau, Anton und Maria Baumgartner, leben in diesem Dorf. In ihrem leidenschaftslosen, aber ehrlichen Neben- und Miteinander, in dem kleine Ruppigkeiten eher als willkommene Abwechslungen des Alltagstrotts empfunden werden, widerspiegelt sich das Leben des ganzen Dorfes. Werden, Sein, Kampf, Sieg, Niederlage, Freude, Leid, Tod, und schließlich das angedeutete Ende der ganzen Dorfgemeinschaft liegen greifbar nahe beieinander. Niemand kann den Zerfall aufhalten. Die von außen wirkenden zerstörerischen Faktoren werden als Schicksal hingenommen. Das Aufbäumen wirkt nur symbolhaft und ist jeweils von kurzer Dauer. Es geht immer gleich weiter, das Leben inmitten der Abgeschiedenheit. Die Weltgeschichte spielt sich irgendwo, weit weg von W., ab und erreicht das Dorf ziemlich verunstaltet. "Anton hat auch einen Schwengelbrunnen im Hof und macht sich zwei Tage vor dem 23. August 1968 an die Arbeit... Es wird Krieg kommen, weiß man seit heute morgen im Dorf. Soldaten sind einmarschiert, die Regierung ist gefallen."
Anton und Maria Baumgartner sind leibliche Verkörperungen der Einsamkeit. Man liest und denkt an Hundert Jahre Einsamkeit. Nein, hier sind es mehr als hundert Jahre. Die Erzählweise vermittelt das Gefühl, daß dieses Dorf schon immer im Zentrum der Einsamkeit lag; bloß haben seine Bewohner diese nie als Lebensbürde empfunden. Nur der Betrachter von nah oder fern nimmt sie wahr und ist desto mehr vom Lebenswille dieser Menschen angetan.
Ein Dorfleben, das sich nur an den seit Generationen im wesentlichen unveränderten Arbeits- und Ritualrhythmen orientiert, ist für viele heute unvorstellbar. Und doch hat es die vor noch zehn Jahren gegeben und gibt es mancherorts auch heute noch. Man vermißt in diesem Leben besonders die Liebe. Sie wird heute so oft in der Literatur mißbraucht, zu ordinären Sexstatements (merkwürdigerweise gelingt es denen sehr leicht, an die Öffentlichkeit zu gelangen) degradiert, mit denen ruhmsüchtige Literaten/innen angebliche Tabus brechen wollen. In dieser Erzählung scheint sie zu fehlen, die Liebe, zumindest so, wie man sie gegenwärtig in den modernistischen (nicht unbedingt auch modernen) Wohlstandsgesellschaften kennt. Sie ist trotzdem da. Sie ist allgegenwärtig und sie triumphiert im vibrierenden, für viele Leser wahrscheinlich ergreifenden Finale - wobei jeder billige Sentimentalismus außer Frage steht - förmlich auf. Der Autor führt die Liebe nicht ins Geschehen ein; er macht den Ausgang dieser Erzählung von ihrer Existenz abhängig.
Anton Baumgartner und seine Frau Maria gehören zu dem Menschenschlag, dessen Besonderheit erst auffällig wird, nachdem es ihn nicht mehr gibt. Mit dem Untergang eines Dorfes, dessen Name W. (für Wiseschdia) nicht nur am Ende des Alphabets angesiedelt ist, sondern auch für das Ende einer Diasporagemeinschaft bezeichnend ist, verändert sich eine Landschaft, und die Menschheit ist um eine lebendige Eigenart ärmer.
Bleibt nur die Hoffnung, dass es dem Wunderhorn-Verlag gelingt, diesem Buch die wohlverdiente Publizität zu verschaffen, um seine Existenz einem je größeren Leserkreis kund zu tun.
Anton Potche

Johann Lippet: Die Falten im Gesicht, Erzählungen; Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 1991; 229 S., DM ca. 36,-, ISBN 3-88423-073-5.

aus BANATER POST, München, 10. Dezember 1991

Donnerstag, 5. September 2013

Erster Schwabenball in Bokschan

Kerweifeste Feierten im Kreis Temesch Gier, Darowa und Bethausen
DW - Bokschan. Der erste Schwabenball in dieser Stadt, für dessen Zustandekommen sich ganz besonders Otto Hengstenberger, Grete Gut-Sasu und Peter Dassinger bemüht hatten, wurde Samstag ein großer Erfolg. Leider konnten wegen Platzmangel nur 200 Personen daran teilnehmen. Anwesend waren Vertreter mehrerer Generationen: die Rentner Filipp Halsdorfer, ehemals Kranführer in Reschitza, Ladislaus Kocsis, ehemals Elektriker in Bokschan, von den jüngeren Jahrgängen Ernst Hollschwandner, Gruppenleiter im Bokschaner Betrieb, Hansi Both, Warenkundler, Oswald Foith, Dreher, der eine ganze Nacht hindurch die Platzkarten geschrieben hatte, die Hausfrau Anna Gruber, die beim Anordnen der Tische half. Gäste kamen aus Reschitza, Măureni, Tirol, Gataja, Temeswar und Nitzkydorf. Alte Bekannte, die sich vielleicht ein Jahr lang nicht gesehen hatten, obwohl sie in derselben Stadt wohnen, trafen sich hier, was im Falle des 18 km langen Bokschans nur verständlich ist. Und als die Stimmung am höchsten war, wurde der Pipatsch-Leser Nr. 1 gezogen. Das Los entschied für Otto Hengstenberger, dem vor Überraschung fast das Mikrophon aus der Hand fiel. Der 20jährigen Erika Gruber und wie ihr auch anderen Jugendlichen, kann es leid tun, nicht mit ihren Eltern zum Ball gekommen zu sein, denn sie hätten es erlebt, wie sich vor allem die "Alten" unter den Klängen der nimmermüden Kaszner-Kapelle unterhalten haben.
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aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 24. Oktober 1978

Dienstag, 3. September 2013

Original Jahrmarkter Musikanten

1. Bundestreffen der Banater Blasmuskapellen und Volksmusikorchester
An der banatschwäbischen Blasmusik der Nachkriegszeit wird oft das Fehlen eines spezifischen Banater Elements bemängelt. Zu viel Preußisches oder zu sehr böhmisch und ähnliche, mehr oder weniger stichhaltige Argumente werden dazu ins Feld geführt. Dabei hat man fast übersehen, daß sich in den Banater Dörfern eine durchaus originelle Kapellenstruktur herausgebildet hat, die hierzulande äußerst selten anzutreffen ist. Je zwei Flügelhörner und Tenorhörner, der unverzichtbare Baß, sekundiert vom Schlagzeug, wobei das Akkordeon sowohl Akkordaufgaben als auch verzierende Begleitelemente übernimmt, bilden den Aufbau, der aus der Kombination Blaskapelle - Tanzorchester hervorgegangen ist. Die Wechsel Flügelhorn - Trompete, Tenorhorn - Posaune, Akkordeon - Keyboard, Baß - E-Baß ermöglichen einen reibungslosen Übergang von der Blas- zur Leichtmusik, und die Kapellen können eher den diversen Ansprüchen des Publikums gerecht werden. Von dieser Entwicklung blieb auch die Blasmusiktradition in Jahrmarkt nicht verschont.
MC-Cover
Treffen sich Jahrmarkter in Deutschland, dann wird oft begeistert über Musik diskutiert. Fällt dabei der Name Tritz, wird spontan gefragt, "der Alt odder der Jung"? "Der Alt", Michael Tritz, wurde mehr als drei Jahrzehnte lang von Freund und Feind als der Jahrmarkter Ausnahmetrompeter schlechthin bewundert und beneidet. "Der Jung", Sepp Tritz, leitet heute die Original Jahrmarkter Musikanten. Sepp, 1958 in Jahrmarkt geboren, sollte natürlich in Vaters Fußstapfen treten. Nachdem Lehrer Hans Speck ihm die Grundbegriffe der Musik auf dem Akkordeon beigebracht hatte, sollte der Kapellmeister Mathias Loris sen. den "braven" Sepp zu einem tüchtigen Trompeter ausbilden. Das schien anfangs auch zu gelingen, denn schon als 12-Jähriger kam der Junge ins Temeswarer Ion-Vidu-Lyzeum, wo er die Klasse des berühmten Trompeters Georg Bruckner besuchte. Aber dann sollte es doch nicht kommen"wie der Vater so der Sohne". Sepp Tritz wollte sich den Strapazen und Risiken des Berufsmusikers einfach nicht aussetzen und ließ sich zum Handelskaufmann ausbilden. 1979 kam er nach Deutschland, und da vollzog sich ein interessanter Wandel. Sepp Tritz griff nicht nach der bereits am Nagel hängenden Trompete, sondern nach dem Tenorhorn. 
Das Blasinstrument, dessen Klangfarbe der menschlichen Stimme wohl am ähnlichsten ist, verlockte ihn zum Neuanfang. Acht Jahre lang spielte er bei den Original Donauschwaben, ehe er 1987 die Original Jahrmarkter Musikanten gründete, in deren Reihe sein Vater Michael Tritz die Bravouraufgabe des ersten Trompeters wie in besten Jahrmarkter Zeiten bewältigt.
Die Kapelle ist mittlerweile bekannt und hat schon zwei Musikkassetten bespielt. Die zweite Produktion, "Wir sind alle Sonntagskinder", entstand in einem Tonstudio der bekannten Plattenfirma "Tyrolis" und ist auch in LP/CD-Ausführungen über den Musikhandel erhältlich. Bei diesem Unterfangen stand dem temperamentvollen Sepp Tritz das Glück des Tüchtigen zur Seite. Der erfolgreiche, aus dem Banat stammende Komponist und Arrangeur Franz Watz schrieb für diese Aufnahme wunderschöne Walzer- und Polkamelodien und ermöglichte so den aparten Sound, den man getrost als geglückte Ergänzung der eingangs erwähnten Originalität betrachten kann.
Die Original Jahrmarkter Musikanten mit ihrem Gesangsduo Lotte Hehn & Sepp Tritz kann man für alle denkbaren Unterhaltungsveranstaltungen über folgende Adresse verpflichten: Sepp Tritz u. s. Original Jahrmarkter Musikanten, Schmalkaldener Str. 2, D-8000 München 40, Tel. 089/3594046. 

Anton Potche

aus BANATER POST, München, 20. November 1991