Dienstag, 27. Oktober 2015

Vom Hobel zur Feder

 Tischlermeister Peter Oberle wurde 70
67.206 neue Buchtitel wurden 1993 in Deutschland vorgestellt. Wer traut sich bei diesem unüberschaubaren Angebot überhaupt noch zu schreiben? Milliarden Bücher füllen die Regale der Buchhandlungen, Bibliotheken und Haushalte. Wer soll die alle lesen? Das schafft selbst ein Volk der Dichter und Denker, wie andere die Deutschen nennen, nicht. Und trotzdem gibt es Menschen, die immer wieder zur Feder greifen und von der Erinnerung preisgegebene Erlebnisse in einem Heft oder auf losen Blättern festhalten. Irgendwann bringt der eine oder andere dann ein davon angefertigtes Manuskript in eine Buchdruckerei und beschenkt die Familie schließlich mit einem leinengebundenen Werk, das in der Regel den Titel Erinnerungen trägt. Ein solches Buch wird herumgereicht, gelesen und diskutiert, um dann wie eine Reliquie als Familienvermächtnis nicht nur Generationen, sondern vor allem viele der Jahr für Jahr im Buchhandel auftauchenden Neuerscheinungen zu überleben.
Peter Oberle ist einer dieser Menschen, die davon überzeugt sind, daß zukünftige Generationen den Sinn ihres Daseins nur dann bewußt wahrnehmen können, wenn sie auch ihre Wurzeln kennen. Daß dies für eine vom Schicksal so gebeutelte Volksgemeinschaft wie die der Banater Schwaben besonders gilt, untermalen seine Erinnerungen in nostalgischen, ernsten, lustigen, nachdenklich stimmenden, aber nie nach Abrechnung lüsterne Bildern, die durch die bewegte europäische Geschichte unseres Jahrhunderts führen.
Am 27. November 1994 wurde Peter Oberle 70 Jahre alt. Sein Lebensweg begann in der Höniggasse in den Temeswarer Weingärten. Von Jahrmarkt aus, wo er bei kinderlosen Verwandten seine Jugend- und Lehrzeit verbrachte, zog er in den Krieg, während dessen Verlauf und der folgenden russischen Gefangenschaft er zwangsläufig weite Teile Europas und Vorderasiens, von Breslau bis zum Fuße des Ararats (Kaukasus) kennenlernen mußte. In der "epoca luminii" leitete der zum Meister aufgestiegene Tischler die Jahrmarkter Tischlerei, ein Unternehmen - man mag es heute wohl als Wunder betrachten -, das bis in die siebziger Jahre mit einer rein schwäbischen Belegschaft (40 Angestellte) arbeitete. Es war nicht nur die Arbeit, deretwegen die "Tischlerei" für die Jahrmarkter so wichtig war, es waren vor allem die gesellschaftlichen Impulse, die von diesem Kollektiv ausgingen. Die Idee, Konzeption und auch Ausführung des Jahrmarkter Strandes zum Beispiel war keineswegs eine Errungenschaft des Sozialismus, sondern eine Gesamtleistung der Jahrmarkter Schwaben und ganz besonders der "Tischlereimannschaft" unter der Leitung Peter Oberles.
Jetzt hat der am Fuße der Achalm (Reutlingen) lebende Jubilar seine Erinnerungen niedergeschrieben, "daß mal meine Kinder, die ja mit all dem nichts zu tun hatten und jetzt hier in Deutschland leben, einmal wissen, von wo sie herkommen, wer ihre Vorfahren waren und wie sie gelebt haben", wie er im Vorwort festhält. Man kann Peter Oberle zu seinem Geburtstag neben der Gesundheit nur wissensdurstige Enkel wünschen.
                                                                                                 Anton Potche

aus BANATER POST, München,       
10. Dezember 1994

Dienstag, 20. Oktober 2015

Dienstag, 13. Oktober 2015

Abghol in Johrmark beim Pipatsch-Pokal

Dene schwarze Männer do un ihrem Schreiwer (in weiß) han mirs aach zu verdanke, dass die Buwe am Sunntach in Johrmark hart gspielt, awer net geraaft han.  Natierlich hats aach desmolrum paar Drucker gen, die wu net grad zufriede ware, awer wu uf dere Welt sin alli Zuschauer mitm Richter zufriede? Sicher nirgens! Mir vun de Pipatsch-Redaktion bedanke uns uf jede Fall bei dene Pheifemänner un rote ehne: pheift halt uf alli Drucker, die wu nor staliere kenne un immer pheife! 
So wie uf dem Bild do, des wu mei Kulleger, de Wittmann Dazi, abghol hat, han die Strandmusikante - in Johrmark werd nämlich uf eem scheene Strand Handballa gspielt - beim sexte Pipatsch-Pokal um e Zeit ausgschaut. Schuld dran war awer nor die heißi Sunn uns kalti Bier. 
Wie mir vun de Pipatsch-Redaktion dem jungi Mann do e große holzene Kambl gschenkt han, weil er de Handballer mit de längschti Frisur war, soll angeblich jemand gebrummt han: "Ich men, den han se erscht vum Kreiz runerghol!"
'm B. s. N.

aus NEUE BANATER ZEITUNG / PIPATSCH, Temeswar,
2. September 1979

Dienstag, 6. Oktober 2015

Jahrmarkter Jahrgangstreffen

Jahrmarkter Jahrgang 1924
mit Lebenspartnerinnen
und -partnern
"[...]Ich möchte es nicht versäumen, in unserer Mitte einige Kameraden zu begrüßen, welche von manchen von uns seit 51 Jahren nicht mehr gesehen wurden. Es sind dies Geier Paul, der den Weg aus Amerika zu uns gefunden hat, und Bozneac, unser Lasi, der von Rumänien zu uns gekommen ist. [...] Nach Zeitzeugenaussagen der noch lebenden Achtzig- bis Neunzigjährigen war das Jahr 1924 ein gutes und gesegnetes Jahr. Es gab 100 Geburten. Im Säuglingsalter lichteten sich bereits die Reihen. Bis zum 7. Lebensjahr, dem Jahr der Einschulung, waren es noch 81 Kinder. Schließlich kam die Verschleppung und Vertreibung. Dies bewirkte, daß sich die Zahl unserer Kameradinnen und Kameraden wieder verminderte. [...]"
Jahrmarkter Jahrgang 1924
27 von den noch lebenden 53 Jahrmarktern des Jahrgangs 1924 erhoben sich nach diesen Begrüßungsworten des Veranstalters Josef Kronenberger und lauschten ergriffen der Melodie Ich hatte einen Kameraden, die von dem aus Jahrmarkt angereisten Ladislau Bozneac (Lasi) auf der Trompete vorgetragen wurde. Es waren bestimmt die bewegendsten Augenblicke dieses Jubiläumstreffens am 17. September 1994 in Ingolstadt, aber es waren zum Glück auch diesmal nur Augenblicke, in denen Tränen die Last erlebter Schicksalsschläge erträglich machen mußten. 
v.l.: Jupp Hühnerbein, ... ...,
Hans Maltry, Ladislau Bozneac
Als Übergang zum geselligen Teil der Veranstaltung überbrachte Anna Loris die Grüße des Vorsitzenden der HOG Jahrmarkt Hans Frombach und las die Briefe jener vor, die gerne gekommen wären. Dann legten die drei Seniorenmusiker unter der Leitung des Jahrmarkters Hans Maltry (72) sich so richtig ins Zeug und spätestens als Wirt und Wirtin des Gasthauses "Peter" selbst das Tanzbein schwangen und sich unter den siebzigjährigen Jahrmarktern so richtig wohlfühlten, war klar, daß Banater und bayerische Lebensfreuden viel gemeinsam haben.
Die Kirchenuhr schlug bereits die erste Stunde des neuen Tages, als die letzten Jubilare das gelungene Jahrgangstreffen mit dem festen Vorsatz, in fünf Jahren wieder dabei zu sein, verließen.
Anton Potche

aus BANATER POST, München, 10. Dezember 1994