Dienstag, 24. November 2015

Volksfeste nach altem Brauch

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Gottlob.  Bei der diesjährigen Kerwei machten 18 Paare mit, allerdings nicht in Tracht. Den Umzug führten die beiden Geldherrnpaare an: Elfriede Krogloth - Elmar Florescu bzw. Helmine Follmer - Roland Hoff. Den Strauß ersteigerte Egon Hoff für sein Mädchen Ilse Stricker. Hut und Tüchl gingen durch Losentscheid an Erwin Sadorf bzw. Elisabeth Militar. Für Musik sorgte die Jahrmarkter Kaszner-Kapelle, die man gerne noch öfters im Ort hören möchte. Kerweiväter waren Feri Geiszer und Willi Wanzung. Hier dauert die Kerwei bis heute Abend, wenn auch der Gewinner des Kerweibocks ermittelt wird.
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aus NEUE BANATER ZEITUNG,  Temeswar, 4. September 1979

Dienstag, 17. November 2015

Der Schager Heimatbote "Die Temesch" tut kund

Schager Heimatbote Nr. 1 "Die Temesch"; 10 DM - zu beziehen bei Franziska Graf, Lenbachstraße 2A, 85084 Reichertshofen
"Wir versuchen, hier Wurzeln zu fassen, indem wir unser Heim mit Erinnerungsstücken aus der alten Heimat schmücken, uns mit ehemaligen Nachbarn treffen und Vergleiche suchen, die uns an die alte Heimat erinnern und sie ersetzen." Franziska Graf hat diesen Satz in der Nr. 1 des Schager Heimatboten "Die Temesch" niedergeschrieben. Daß zu den effektivsten Erinnerungsstimulationen aber besonders auch das gedruckte Wort gehört, beweist sie durch die Herausgabe dieses Schager Heimatboten, der alle zwei Jahre erscheinen soll.
Bereits die erste Nummer ist ein lesenswertes Büchlein. Man erfährt Interessantes über die Schager Geschichte - Franziska Graf scheut selbst eine Gegendarstellung zu einer ortsgeschichtlichen Dokumentation des kompetenten Banatexperten Luzian Geier nicht -, bekommt Kostproben Schager Mundart aufgetischt, fühlt sich durch das "Drei-König-Singen in die gute alte Zeit versetzt, betrachtet die vielen, sehr gut gelungenen Photoreproduktionen, wundert sich (oder auch nicht) über die neuen Verhältnisse in Schag - diese Neuigkeiten kann man sogar in rumänischer Originalfassung lesen (eine hervorragende Idee der Herausgeberin) - und man kann sich an vielen Gedichten von Autorinnen und Autoren aus dem Banat erfreuen. Natürlich kommt auch das Schager HOG-Leben in Deutschland sowohl in Wort als auch in Bild nicht zu kurz.
Und hat man die 80 Seiten durchgelesen und betrachtet, dann fällt einem erst auf, daß keine einzige der Werbung zum Opfer gefallen ist. Diese Erkenntnis berührt einen angenehm, erlaubt sie doch einerseits den Vergleich mit teils noch reklameverschonten Kulturkanälen unserer Fernsehlandschaft und verweist andererseits auf die nur von selbstlosem Idealismus hervorrufbare finanzielle Risikobereitschaft, die die Herausgeberin mit dieser Veröffentlichung an den Tag legt.
Wen die Kunde des Schager Heimatboten erreicht, der besitzt ein "Erinnerungsstück" an eine Menge Schag, etwas Temesch, einen Hauch Banat und viel, viel alte Heimat.
                                                                                                        Mark Jahr

aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 1./8. Januar 1995

Dienstag, 10. November 2015

Johrmarker Sprich un Sprichelcher - 66

Alter geht vor, Vatter schieb du de Woon in de Schopp.

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Gsammelt vum Frombach Franz alias Gerwer Franz  (1929 - 1999)

Dienstag, 3. November 2015

Kirchweih im deutschen Dorf Jahrmarkt im rumänischen Banat

Stimmungsbericht aus der Sicht eines "reichsdeutschen" Touristen
Schon früh lastet eine Hitzeglocke über dem Dorf - einem noch fast deutschen Dorf. Nur einige Rumänen wurden in Randbebauungen und in durch Auswanderung freigewordene Häuser bisher angesiedelt.
Ein altes Auto fährt staubaufwirbelnd die breite, teils unbefestigte Dorfstraße entlang und scheucht einige Gänsescharen auf, welche sich unter schattigen Bäumen im grasigen Angerstreifen rechts und links niedergelegt hatten.
Alle von Deutschen bewohnten Häuser sind frisch gestrichen. Farbig abgesetzt sind die Fenstereinfassungen und Gesimsgurte. Alle im gleichen Baustil errichteten Häuser reihen sich mit dem Giebel nach vorne, entlang der Straße.
Nur lange, schmale Hausparzellen von max. 500 qm blieben von der Enteignung verschont. Der hintere Teil ist zur Selbstversorgung als Feld- oder Gemüsegarten bebaut. Hier scharren einige Hühner, die im rückwärtigen Gebäudeteil im angebauten Holz- und Geräteschuppen untergebracht sind, und hier befindet sich das notwendige "Häusle" mit Herz. In der Mitte des Hofes steht der Ziehbrunnen, dessen Wasser aber zum Trinken nicht mehr benutzt werden darf. Man betritt durchs Straßentor und vorbei an Vorgarten mit Blumen und Rebstöcken den Mittelteil des Langhauses über einen längsverlaufenden, teils offenen, teils geschlossenen Gang unter dem vorgezogenen Dach.
Hier atmet noch Vergangenheit; von alten, auf dem Dachboden abgestellten Gerätschaften wurde erst kürzlich ein Dorfmuseum eingerichtet.
Alle Zimmer sind hintereinander angeordnet. Gußeiserner Ofen, hohe Bettgestelle mit noch höheren Daunenbetten, bedeckt mit buntbestickter Brokatdecke, Klöppeldeckchen auf barockartig geschwungenem Nußbaumschrank, ovale alte Fotografien und Drucke mit Engeln im Paradies an der Wand.
Hier werden die letzten Vorbereitungen getroffen für den größten Feiertag im Jahr, die Kerweih, wie es in schwäbischer Mundart heißt. Die letzten Kartoffeln werden geschält, Hähnchen und Fleisch vorgebraten und im tieferliegenden Vorratsraum auf kühlem Lehmboden gelagert; und es werden die letzten Verzierungen gespritzt auf die berühmten "Mehlspeis"-Plätzchen und Gebäckschnitten aus verschiedenen Lagen mit Zuckerguß, Creme und Nußsplitter.
Lange ist dafür gespart und sind die Vorbereitungen getroffen worden. Die jetzige Großeltern-Generation mit 80 Jahren möchte besonders an diesem Tage die Angehörigen um sich haben zum Essen und Trinken, Tratschen über die heutige Jugend und Erzählen von früher.
Und während einige Frauen mit Blumen aus den Vorgärten den Kirchaltar schmücken, eine andere am Straßenhydranten einen Eimer Wasser holt - denn seit kurzem braucht man nicht mehr bis zum 300 m entfernten Dorfbrunnen -, der Mittagsbus noch einige Bewohner mit den letzten Lebensmitteln aus der Stadt zurückbringt, ertönt von fern Blasmusik. Die Kirchweihbuben haben sich beim Vortänzer versammelt und marschieren im offenen weißen Hemd, mit einer Weinflasche bewaffnet, wie junge Wölfe heulend, durch die Dorfstraßen.
Es sind jeweils mit ca. 19 Jahren die Jahrgänge vor der Militäreinberufung. Beim Kulturhaus wird der Bürgermeister durch einen symbolischen Schluck Wein zur Teilnahme eingeladen und das erste gespendete Geld eingesammelt. Dieses wiederholt sich dann von Haus zu Haus. Niemand schließt sich trotz herrschender Armut aus, jeder trinkt ein Glas, wünscht Glück und Gottes Segen und gibt sein Scherflein. Mit diesem gesammelten Geld werden gemeinschaftlich alle Ausgaben, einschließlich die der Musikkapelle, bestritten. Von zwei Musikkapellen wird die Dorfjugend in zwei Gruppen mit zwei Gottesdiensten gespalten. Wenn es doch nur auf anderen Gebieten auch so eine Konkurrenz gäbe!
Und während die Buben am Vorabend wie bei einem Polterabend den Abschied vom Junggesellenleben feiern, müssen die Mädel im Haus helfen, nochmal die acht Unter- und Überröcke der Tracht aus gestärkten Leinen und Kunstseide mit Plisseefalten bügeln und weitere Vorbereitungen treffen für den großen kommenden Tag.
Hier zeigt sich schon der Unterschied der emanzipierten Frau bei uns und dem traditionsbehafteten Mann-Frau-Verhältnis in den deutsch-rumänischen Dörfern, wo nicht nur äußerlich die Zeit seit 1750 stehengeblieben zu sein scheint. Hier wird das "Mädle" noch "hoffiert" vom Buben, wird gefragt, vielleicht auch nachgeholfen von Eltern oder Großeltern; hier gilt man mit 15 als erste Kirchweihpartnerin so gut wie verlobt und ein harmloses Ausgehen während der zweijährigen Dienstzeit des Freundes gilt in den Augen der älteren Generation fast als Ehebruch - oder richtiger als Treuevergehen, denn die Jugend ist doch etwas moderner in der Denkungsweise geworden. Eine gemischt deutsch-rumänische Freundschaft oder gar Ehe ist jedoch auf dem Dorf noch immer undenkbar.
Ca. drei Monatsgehälter läßt sich der Vater eines Mädels die Kirchweih kosten, Höchstens zweimal wird die Tracht angezogen, dann für die Geschwister aufbewahrt oder verkauft. Aus der Überlieferung und nach alten Bildern werden Röcke, Leibchen und Überwürfe genäht und in langen Abenden bestickt.
Fast eine Stunde dauert das Anziehen und ist ohne Hilfe gar nicht möglich. Trotz der Begeisterung und Freude ist es eine Tortur, in der Hitze, mit Schnüren eingezwängt, den Tag zu überstehen - ohne zu trinken -, denn ein Hinsetzen, auch auf der Toilette, ist wegen der steifen Röcke nicht möglich.
Früh schon beginnt der Tag. Wieder sammeln sich die Buben beim Vortänzer, die Mädel bei der Vortänzerin, und unter Trommeln und Blasmusik werden sie abgeholt. In farbiger Tracht geht es im Gleichschritt paarweise zur Kirche - angeführt vom Vortänzerpaar, mit buntgeschmücktem Strauß aus Rosmarin, welcher symbolisch in der Kirche vor dem Altar geweiht wird mit folgendem Spruch: "Jesus Christus, hochwürdiger Herr Pfarrer, verehrte Kirchweihgäste! / Ich trete heute als Sprecherin hervor / aus dieser Jugend fröhlichem Chor. / Im Namen der festlichen, schmucken Schar, / nämlich dieser 17 jungen Kirchweihpaar' / möchte ich Euch alle zu Beginn ein Wort des Grußes sagen, / an diesem schönsten unserer Feiertage. / Wir feiern doch heute unser Kirchweihfest, / so wie es bei uns Brauch war vor 247 Jahren bis jetzt. / Denn der Kirchweihfeste Sinn / ich Euch heute wieder künden will. / Und das erste, was ich Euch sagen will, ist: / Ich trage den Kirchweihstrauß in der Hand, / geschmückt mit Seide und farbigem Band. / Und fragst Du, warum denn der Strauß aus Rosmarein, / nun - er ist der Schwaben Heimatblümelein. / Er ist uns Bekenntnis unserer treuen schwäbischen Art, / wie er auch unserer Väter, Großväter und Ahnen war. / Er ist uns Mahnzeichen zu unserem schwäbischen Erbe auch, / zu Fleiß und Ehrlichkeit, zu Ordnung und Brauch. / Und das zweite, was ich Euch künden will, ist: / Wir stehen jetzt in unserem Gotteshaus, / in dem auch unsere Väter gingen ein und aus. / Ihnen war diese Kirche wertvolles Gottesgeschenk, / und wir rufen uns heute zu: nachgeborenes Schwabenkind gedenk: / Auch Du sollst in ihr bewußt zu Deiner Kirche stehen, / daß sie Dir Heimat ist und Gotteslehen, / daß sie Dir Mutter ist in all Deinen Tagen, / das soll Dir erneut diese Kirchweihstunde sagen."
Nach dem Gottesdienst geht es nocheinmal durch ein Spalier der Bewohner. Festlich gekleidet sind alle, besonders die Alten: in schwarzem Anzug und großem breitrandigen Hut bzw. dunklen Röcken, Leibchen, Blusen, Schulter- und Kopftüchern die Omas.
Schon während des Wartens gab es das erste Wiedersehen mit lange nicht gesehenen Bekannten, ein Erzählen, wer wohl das schönste Paar sei, daß die Kathi von Josch ein Kind bekommt, daß der Schmidt Josef seinen Paß "kriegt hat", daß aus dem Nachbardorf wieder einer spurlos verschwunden ist - und vieles mehr.
Aber auch die neuesten weltpolitischen Nachrichten, welche von der Deutschen Welle ausgestrahlt wurden, werden kommentiert.
Und während die Frauen bangend um die viele Arbeit mit dem guten Essen auf pünktliche Heimkehr der Männer warten, stehen diese erzählend in Gruppen zusammen oder gehen zu verschiedenen Nachbarn oder entfernten, lange nicht gesehenen Verwandten auf einen Gruß, ein Wort, einen Schwatz bei einem oder mehreren Glas Wein.
Ganz besonders herzlich und wissensdurstig wird man empfangen, wenn man sich, ohne verwandtschaftliche Bindung aus dem "Reich" kommend, interessiert zeigt an den überlieferten Bräuchen und der jetzigen ungeschminkten Lebensweise.
Bei der Kirchweih merkt man allerdings nicht viel von den Entbehrungen , denn schon länger vorher sind entsprechende Vorräte eingekauft worden. Und sogar Flaschenbier und einen Bratwurststand gibt es, wenn am Nachmittag die Paare im Saal des Kulturhauses und auf einem Podest im Park Polka tanzen unter den kritischen Blicken der ringsum sitzenden Anverwandten.
So vergeht mit Tanzen, Erzählen, Essen und Trinken der Tag, der so viel Vorbereitungen kostete, mit unbeschwerter Freude für die Jugend und Rückbesinnung der Alten auf die Vergangenheit und die schlimmen Nachkriegsjahre. In richtiger Bier- und Zuikalaune werden nicht nur Volkslieder , sondern auch Soldatenmärsche gesungen.
Das ist eine Freiheit - mehr Narrenfreiheit -, die von der Miliz eingeräumt wird. Dieses ist die unbewältigte Vergangenheit der älteren Generation, doch die Bewältigung der Zukunft wird der Jugend nur dann gelingen, wenn sie und alle Deutschen im Banat und in Siebenbürgen nicht vergessen und möglichst aktiver als bisher seitens der Bundesregierung unterstützt werden.
Harald Jäger


aus DER DONAUSCHWABE / Aalen, September 1979

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