Dienstag, 28. Juni 2016

"Trompetengrüße" von Helmut Kassner

Das Schwerste für einen Künstler ist wohl das Eindringen in bestehende Phalanxen von Berühmtheiten. Obwohl es diese "geschlossenen Schlachtreihen" im gnadenlosen Konkurrenzalltag gar nicht gibt, tragen die etablierten Namen - oft ganz und gar ohne die Absicht ihrer Träger - dazu bei, daß Neulinge in allen Sparten der Kunst vom Publikum kaum registriert werden. Die nur noch auf kommerziellen Erfolg, sprich hohe Einschaltquoten, getrimmten Fernsehanstalten tun ein Übriges. Man muß schon von einem mit Worten schwer definierbaren künstlerischen Drang beseelt sein, um sich heute noch auf die Stufen, die zum Tempel der Unsterblichkeit führen, zu wagen, zumal ein solcher Entschluß oft einem finanziellen Abenteuer gleichkommt. Wer da noch versucht, auf einem so dicht bebauten Feld wie das der Instrumentalsolisten Wurzeln zu fassen, der darf nicht nur ein hervorragender Interpret sein, sondern der muß auch mit Neuschöpfungen aufwarten, die bereits beim ersten Abspielen einer CD bleibende Eindrücke hinterlassen.
Der vor 34 Jahren in Jahrmarkt geborene Trompeter Helmut Kassner hat es versucht. Trompetengrüße können vielsagender als oft wohlfeile Liedverse sein. Was einem Zuhörer von der gleichnamigen CD entgegenklingt, ist Gefühl pur, und es ist vor allem eine beglückende Opulenz von Melodie, die einen plötzlich berieselt. Wie formulierte es doch der Feuilletonist der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Klaus Konjetzky so trefflich: "Bei Musikstücken ist es wie bei den Frauen: Selbst die schönsten haben Stellen, die sind noch schöner. Hier wie dort gibt es viele, die haben überhaupt nur eine Stelle, auf die fahren wir ab. Nun ist der Weg zu solchen Stellen oft sehr lang. Zu lang. Nehmen wir Dvoraks Neunte, die <Aus der neuen Welt>. Gut. Aber das Beste kommt erst im zweiten Satz: dieses americo-böhmische Englischhorn-Largo, das uns so wunderbar weh macht."
Bei Helmut Kassner muß man nicht warten, obwohl eine Spannung produzierende Steigerung, unterbrochen von einem naturalistischen Gruß aus Oberkrain, - mußte das sein? - auch bei seinen Trompetengrüßen erkennbar ist. Bloß spürt man hier, im Gegensatz zu einem zeitlich gedehnten klassischen Werk, das Warten auf einen sich dem Gedächtnis einprägenden Höhepunkt nicht. Man gleitet sachte von Melodie zu Melodie und lauscht wunderbaren Dialogen, die die Trompete mit einer weinenden Posaune, mit dem sehnsuchtsvollen Schwingen der Saiten einer klassischen Gitarre und nicht zuletzt mit einer trotz stellenweiser Melodieführung zurückhaltenden Orgel (Keyboard) führt. Musik zum Träumen, und das vor allem dank des in allen Lagen sehr schönen Klanges der Trompete. Und wenn ihre Klänge durch die Abenddämmerung schweben, dann bieten sie uns den musikalischen Höhepunkt dieser CD in einer fantastischen Symbiose zwischen mioritischem (mioriţa = Schäflein) Doinaklagen, wie es nur die Karpatentäler kennen, und einem an den spanischen Bolero erinnernden Tamburinrhythmus.
Man gerät beim Anhören dieser Scheibe leicht ins Schwärmen und vergißt dabei die Menschen, Komponisten und Interpreten, die uns diesen Genuß hochwertiger Instrumentalmusik bieten. Wolfgang Gutmann, Nico Salerno, Wolf Weisser, Hans Bruss und vor allem Helmut Kassner selbst zeichnen für die Kompositionen und Bearbeitungen der zwölf Trompetengrüße. Musikalisch begleitet wird der Solist von Johann Kaszner, Hans Bruss, Friedl Crăciunescu, Axel Henninger und Alexander Babinetz.
Bestelladresse: Helmut Kassner, Auf Wies 13, 72766 Reutlingen, Tel. 07121/470564
                                                                                                Anton Potche                                            
                                                
aus BANATER POST, München, 
20. Juni 1995


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Dienstag, 21. Juni 2016

Dienstag, 14. Juni 2016

Gepflegte Bühnendarbietungen

2000 hörten Temeswarer Loris-Konzert / Schubert-Chor auf dem Lande / Premiere im Nationaltheater
Die Annahme, dass die Banater den allsamstäglichen Serienfilm im TV nicht lassen können, widerlegte an diesem Wochenende das zahlreiche Publikum, das in der Stadt und auf dem Lande gepflegten Bühnendarbietungen beiwohnte und in jeder Hinsicht auf seine Kosten kam. Lesen Sie darüber unsere Berichte.
Für rund 2000 unserer Landsleute aus Temeswar und den umliegenden Gemeinden gab es am Samstag abend ein vergnügliches Wochenende. Die nunmehr 72jährige Jahrmarkter Loris-Kapelle und ihr Unterhaltungsorchester , beide unter der Leitung von Prof. Matthias Loris, hatten zu dem selbständigen Konzert Melodien und Rhythmus in die Olympiahalle eingeladen. Die beim Landesfestival Cîntarea României preigekrönte Kapelle stellte erneut ihr hohes Können unter Beweis und ließ zuweilen vergessen, dass es eine Laienkulturgruppe ist. Der erste Teil umfasste ein Potpourri aus der Oper Die Hugenotten von Giacomo Meyerbeer, die Walzer Frühling im Banat (Ion Stoica) und Kornblumen, die Polka Die Zeit vergeht, eine Bearbeitung amerikanischer Musik und rsche. Besonders gelungen war der Musikanten-Streik, eine Komposition des ersten Kapellmeisters und Gründers der Kapelle Peter Loris. Dabei wirkten auch 14 Kinder, der Bläsernachwuchs, mit. Im zweiten Teil des Abends brachte das Unterhaltungsorchester Schlager zu gehör. Als Gesangsolisten traten auf: Matthias Stefan, Erna Mathis, Peter Pfeiffer, Eva Stefan, Michael Bild, Annemarie und Nikolaus Seibert, Annemarie Loris, Hans Eichinger. Das begeisterte Publikum verlangte jedes Lied zweimal. Hans Eichinger sang seinen Schlager gleich dreimal. Als Rahmen des zweiten Teils hatte der Dirigent eine Musical-Melodie gewählt. Hans Kehrer, alias Vetter Matz, besorgte mit viel Humor, teils schwäbisch, teils hochdeutsch, die Ansage.
Zu einer erfolgreichen Lied- und Gedichtdarbietung gestaltete sich der Auftritt des Schubert-Chors unter Leitung von Adrian Nucă-Bartzer in Billed. Das musikalische Programm umfasste klassische Chorwerke und volkstümliche Weisen. Als Solisten traten Irina Corpas, Walter Berberich, Erich Denes und Werner Stein auf. Zu den Mitwirkenden gehörten auch die Temeswarer Folksänger Fred Zawadzki und Georg Gunesch, die eigene Vertonungen von Gedichten Rilkes und der Banater Autoren Franz Liebhard und Nikolaus Berwanger sowie angloamerikanische Volkslieder vortrugen. In Mundart sprach Jakob Hügel Gedichte von Nikolaus Berwanger und Hans Wolfram Hockl. Humorvoller Ansager der Veranstaltung war Stefan Abel, anschließend spielte das Jakob-Rieder-Orchester zum Tanz auf.
Im Temeswarer Nationaltheater fand ebenfalls Samstag abend die Premiere des Stückes Se ridică ceaţa von Florin N. Năstase statt. Mitwirkende waren Vladimir Jurăscu, Eugenia Creţoiu, Vivian Alivizache, Miron Neţea, Mihaela Murgu, Radu Avram, Mircea Belu, Victor Cimbru, Alexander Ternovits, Viorel Iliescu, Gheorghe Stana, Camil Georgescu und Eugen Moţăţeanu. Regie: Silviu Purcărete, Bühnenbild: Virgil Luscov, beide vom Kleinen Theater Bukarest.

aus NEUE BANATER ZEITUNG, Temeswar, 18. März 1980


Donnerstag, 2. Juni 2016

Ein unrühmliches Schauspiel

 Temeswar und Deutschlands diplomatische Vertretung
Die BANATER ZEITUNG, Beilage der ALLGEMEINEN DEUTSCHEN ZEITUNG FÜR RUMÄNIEN, veröffentlichte zum Jahreswechsel '94/95 die Antworten einiger im Banat bekannter Persönlichkeiten, unter ihnen auch die des Leiters der Außenstelle Temeswar der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien, Konsul Uwe Zorn. Herr Zorns Antwort auf die Frage nach dem Wie des vergangenen Jahres klang nicht gerade nach Friede, Freude, Eierkuchen: "Ich habe mich im ganzen Jahr hier sehr wohl gefühlt in Temeswar und ich genieße es immer noch, auch wenn die äußeren Umstände vielleicht dagegen sprechen." Eine wahrlich diplomatische Aussage, nimmt man diese "äußeren Umstände" genauer unter die Lupe.
In Temeswar tobt nun schon seit drei Jahren ein Streit um ein Gebäude auf dem Loga-Boulevard, in dem das deutsche Konsulat die Geschäftsräume für seine Außenstelle einrichten will. Wie wichtig eine Konsulatsaußenstelle für Temeswar ist, scheint zwar Herr Zorn zu wissen, nicht aber auch die Funktionäre des Temescher Generalschulinspektorats, das in diesem Haus den Kindergarten Nr. 16 unterhält. Die Zeitung TIMIŞOARA INTERNAŢIONAL hat im Februar 1994 den Standpunkt des deutschen Politikers veröffentlicht: "In einem adäquaten Gebäude könnten wir neue Schalter, Wirtschafts- und Kulturabteilungen eröffnen. Wir könnten unsere Aktivitäten viel mannigfaltiger gestalten und könnten viel mehr für diese Region tun."
Angesichts der 50.000 Menschen, die nur 1993 in Temeswar in der provisorischen Außenstelle der deutschen Botschaft wegen Visumproblemen vorsprachen, ist der Wunsch des Leiters dieser diplomatischen Niederlassung nach entsprechenden Räumlichkeiten verständlich. Verständnis darf man wegen den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Impulsen, die von einem funktionierenden Konsulat ausgehen, auch von allen am Konflikt beteiligten Institutionen erwarten. Bloß ... als der Stadtrat Temeswars Einsicht zeigte und per Stadtratsbeschluß dem Konsulat das Gebäude zuteilte, legte sich das Generalschulinspektorat quer und klagte. Während jetzt sogar die Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses von bereits zwei Instanzen vorliegt, schalten die Schulfunktionäre auf Stur und wollen durch einen neuen Prozeß die Räumung des Gebäudes verhindern. "Culmea culmilor" (als Spitze der Unvernunft zu verstehen) wird der kopfschüttelnde Rumäne sagen, der diesen Widerstand des Generalschulinspektorats wohl nicht nur darum für unverständlich halten wird, weil es in einer Großstadt wie Temeswar doch nicht unmöglich sein dürfte, einen Kindergarten in einem anderen Gebäude unterzubringen, sondern weil der unnachgiebige Leiter des Generalschulinspektorats kein anderer als Professor (in Rumänien kein Titel, sondern eine Berufsbezeichnung für den Lehrer) Ludwig Holzinger ist, also ein Deutscher. Als das Demokratische Forum der Deutschen im Banat am 31. Januar 1990 den Geschichtelehrer Ludwig Holzinger zum "Schulinspektor für die Belange der Deutschen" vorschlug, hatte es anscheinend nicht die glücklichste Hand. Der damals frischgebackene Inspektor - heute bereits Leiter des Generalschulinspektorats des Kreises Temesch  - meldete sich dann auch bald (NBZ vom 23. März 1990) in einer Sprache zu Wort, die den ideologischen Unterbau ähnlicher Stellungnahmen in der rumäniendeutschen Presse der 1970er Jahre noch erkennbar beinhaltete: "Die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat, sie schiebt keine Deutschen ab, sie muß sie alle anerkennen, wenn dort auch auf die vielen Zusiedler geschimpft wird, wenn diese auch als 'Ausländer deutscher Abstammung' angesehen werden. Das ist schwer zu verschmerzen. Ich könnte es nicht."
Da geht anscheinend in Temeswar eine Neuauflage der in der Geschichte schon öfter erwähnten deutschen Zwietracht über die Bühne, ein wahrlich unrühmliches Stück, auch wenn es sich hier um keine Angelegenheit von wirklich nationaler Bedeutung handelt. Aber man wird den Eindruck einfach nicht los, daß einer der Akteure sich ins verkehrte Stück verirrt hat. Wer wird wohl Recht behalten? Generalschulinspektor Ludwig Holzinger (Februar 1994): "Wir können dieses Gebäude nicht abtreten, weil wir es unbedingt benötigen. Ich widersetze mich dieser Lösung (des Stadtrates) und übernehme dafür die volle Verantwortung." Konsul Uwe Zorn (Dezember 1994): "Ich bin trotz allem optimistisch, daß wir es hoffentlich 1995 schaffen, den Mietvertrag mit der Stadt abzuschließen, um dann mit den Umbauarbeiten dort im neuen Gebäude für die Außenstelle zu beginnen."
Ob so oder so, einen faden Beigeschmack wird der Sekt bei der Eröffnung einer neuen Außenstelle der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Westen Rumäniens haben, unabhängig davon, ob das in der Begastadt oder in der Maroschstadt Arad, aus der bereits ein Angbot vorliegt, sein wird.
Mark Jahr

 aus DER DONAUSCHWABE, Aalen, 4./11. Juni 1995