Wie würden wir reagieren, wenn am Heiligen Abend ein
mitleiderregender Bettler, mit einem frierenden Mädchen an der Hand, an die Tür
unserer warmen, beleuchteten und mit Geschenken vollgestopften Herberge klopfen
würde? Ja, wenn wir dann noch bei zögerlichem Hinschauen feststellen würden,
dass beide zu den Menschenkindern gehören, deren Behausung ein von Pferden
gezogener Planwagen ist?
Friedensstörer am Heiligen Abend, vor unserer Tür; welch
eine Verhöhnung unserer zivilisierten, ach so christlich, abendländischen Welt.
Wieviel Türen würden sich da wohl öffnen? Viele würden bestimmt vor den
flehenden Gestalten krachend zuschlagen.
Aber die vorurteilsfreie Phantasie kindlicher Liebe öffnet
am Heiligen Abend die Herbergstüren sperrangelweit, denn es gibt an diesem
Abend keine Reichen und Armen, keine Übersättigten und Bedürftigen, nicht in
einer unbelasteten Kinderseele. Wer am Heiligen Abend mit offenem Herzen gibt –
von seinem Überfluß, nur von seinem Überfluß - , erfährt Dank und wird mit
Glücksgefühlen beschert, aus denen er/sie noch lange Kraft für den Alltag
schöpfen kann.
Diese Botschaft vermittelt die bewegende
Weihnachtsgeschichte Die Bescherung,
die kürzlich im Coppenrath Verlag erschienen ist. Das von Ingrid Kesper textgetreu bebilderte Büchlein kann selbst ein
beglückendes und gleichsam besinnliches Weihnachtsgeschenk sein, doch nicht
eins, auf das man wartet, sondern das man sich selbst zulegt oder gerne zum
Feste schenkt.
Der Autor dieser Geschichte kennt die Menschen am Rande der
Gesellschaft, verbrachte er doch selbst seine Kindheit an der geographischen
Grenze der Jahrmarkter Dorfgemeinschaft. Er spielte auf der „Tscharda“ und sah
jahrein, jahraus den „Wagen, über den sich ein rundes Dach spannte“ über die
alte Landstraße holpern. Heute ist er ein erfolgreicher Schriftsteller, „de Tscharde Pit“ alias Peter Grosz.
Wir sollten uns Die
Bescherung am Heiligen Abend 1995 nicht entgehen lassen.
Anton Potche
Peter Grosz &
Ingrid Kasper: Die Bescherung; Coppenrath Verlag, Münster, 1995; ISBN
3-8157-1144-4; (bei verschiedenen Internetportalen erhältlich ab 4,00 EURO).
aus BANATER POST, München, 11.
Dezember 1995