Dienstag, 12. Dezember 2017

Im Handumdrehen ein Stück weiter

Zum Artikel Chefetagen deutscher Unternehmer müssen internationaler werden, in der Ausgabe vom 30./31. März 1996:
Fremde, oft exotisch klingende Namen in deutschen Chefetagen erleichtern zweifelsohne die angestrebte Internationalisierung der Konzerne. Sie vereinfachen aber vor allem die Verlagerung der hier in Jahrzehnten gewachsenen Arbeit. Diesen fremden Managern fehlt die Bodenständigkeit einheimischer Führungskräfte. Standortvor- oder –nachteile können sich nach ihrem Wirtschaftsverständnis ohne Appell ans eigene Gewissen in leblosen Zahlen, sogenannten Wirtschaftsfaktoren, ausdrücken lassen. Schon wegen einigen Millionen Mark – bei Milliardenumsätzen ist das eine in ihrer Bedeutung oft relativierbare Größe – werden Tausende von Arbeitsplätzen einfach gestrichen. Das ist leichter zu bewerkstelligen, wenn man für die Menschenschicksale, die sich hinter diesen Produktionsverlagerungen verbergen, persönlich nichts empfindet.
Durch diese Personalentwicklung in den Konzernzentralen werden auch schon die Weichen für die Zukunft gestellt. Sollte zum Beispiel eines Tages der Standort Ungarn zu teuer werden, kann man mit einer von Moralprinzipien unbelasteten Managercrew im Handumdrehen ein Stückchen weiter nach Osten oder auf einen anderen Kontinent ziehen. Was zurückbleibt ist immer das gleiche Elendsbild, ganz gleich ob hier oder anderswo: Menschen in Angst um ihre Zukunft.
Anton Potche

aus DONAUKURIER, Ingolstadt, 4./5. April 1996

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