Dienstag, 20. März 2018

Clever aus der Affäre gezogen

Zum Artikel Zum Treffen der Oberwischauer kamen Gäste aus der Heimat (DK vom 28. Mai 1996):
Wer die nach 1989 in der deutschen Presselandschaft reichlich erschienenen Artikel und Kommentare über Rumänien – bedingt durch den Sturz Ceaușescus und die folgende Aussiedlerwelle - gelesen hat, mußte immer wieder über die meist geographischen Verwechslungen staunen. Da lag schon mal Kronstadt (Brașov) in Westrumänien oder war Temeswar (Timișoara) sogar die Hauptstadt Siebenbürgens.
Der Teufel steckt halt immer im Detail und verleitet dann auch schnell zum Kochen eines rumäniendeutschen Minderheitenbreis. Der Autor des DONAUKURIER-Artikels hat sich da sprachlich clever aus der Affäre gezogen und durch seine Formulierung verständlich gemacht, dass die Oberwischauer keine Gruppe der Sathmarer Schwaben sind, wie das fälschlicherweise oft angenommen wird.
Nach dem Zerfall der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn (1918) entstand Großrumänien durch die Einverleibung des Banats, Siebenbürgens, des Buchenlandes (Bukowina) und Bessarabiens (heute Teil Moldawiens und der Ukraine) in das von einem Regenten aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen regierte Königreich Rumänien. In diesem Großrumänien – 1940 gingen Bessarabien und die Nordbukowina wieder an die Sowjetunion – lebten sage und schreibe neun deutsche Volksgruppen, die sich durch ihre völlig unterschiedlichen Siedlungszeiträume und die jeweils vorgefundenen andersartigen landschaftlichen und sozialpolitischen Umfelder ethnisch und sprachlich unabhängig und grundverschieden voneinander entwickelt haben. Ein Banater Schwabe kann einen Dialekt sprechenden Siebenbürger Sachsen nur mit Mühe verstehen und umgekehrt.
Während die Bessarabien-, Buchenland- und Dobrudschadeutschen gänzlich aus ihren Siedlungsgebieten verschwunden sind (Umsiedlung ins Deutsche Reich, 1940, ca. 130.000 Menschen), leben in den heutigen Staatsgrenzen Rumäniens noch kleine Zellen der Banater Schwaben, Berglanddeutschen (auch Deutschböhmen genannt), Landler, Oberwischauer (die sich zur Volksgruppe der Zipser bekennen), Sathmarer Schwaben und Siebenbürger Sachsen.
Anton Potche

aus DONAUKURIER, Ingolstadt, 4. Juni 1996

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